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brand eins, Oktober 2004                                                                                                  zurück zur Übersicht

Macht’s gut
Unternehmen tun Gutes. Andere tun nur so. Warum eigentlich? Gutes tun ist doch ganz nützlich. Fragt sich nur: Was ist gut?

----Gutes tun, Gutes tun Gutes tun ist gar nicht schwer man kann so viel Gutes tun zu Hause und im Kreisverkehr.

Kondome nicht ins Klo, keine Drogen sowieso weniger fernseh’n, öfter zu Fuß geh’n auch mal an die im Abseits denken gebrauchte Pornos dem Altersheim schenken. Bewusster atmen, gesunde Sachen essen mit Nazis diskutieren, die Mutter nicht vergessen auch einmal fremden Hundekot entfernen den Islam näher kennen lernen.
Intensiver zuhör’n, sich gegen alles impfen sich gründlich informieren, nicht bloß einfach schimpfen nicht bei Rot über die Straße laufen keine japanischen Autos mehr kaufen.

Gutes tun, Gutes tun Gutes tun ist gar nicht schwer versuch’s doch mal mit Gutes tun, dann geht alles besser wie scharf du heute wieder bist, sprach das Brot zum Messer.

(Songtext: Funny van Dannen, „Gutes tun“)


• Ein Begriff geht um die Welt: Corporate Social Responsibility – CSR. Die soziale Verantwortung der Unternehmen. Nur: Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Wovon reden wir eigentlich?

„Corporate Social Responsibility“, schreibt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in seinem Aktionsprogramm 2015, „ist das Bekenntnis der Privatwirtschaft zu sozial und ökologisch verantwortungsvoller Unternehmensführung. Die Unternehmen verpflichten sich zur Beach-tung sozialer, menschenrechts- und umweltrelevanter Grundsätze bei der Geschäftstätigkeit und ihren Beziehungen zu Arbeitnehmenden, Anteilseignern und Konsumenten, Investoren und Organisationen der Zivilgesellschaft. Die Selbstverpflichtung zu Grundsätzen umfasst die gesamte Wertschöpfungskette.“

Puh! Geht’s nicht vielleicht auch eine Nummer kleiner? „Die soziale Verantwortung der Unternehmen besteht darin, Gewinne zu machen“, meint der Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman. Aufgabe der Wirtschaft ist es demnach, Produkte zu Marktpreisen anzubieten, und wenn Unternehmen dies erfolg-reich tun, bereichern sie sich nicht nur selbst, sondern auch das Leben anderer. Das ist also ihre soziale Verantwortung? „Das reicht nicht“, widerspricht Guido Palazzo, Wirtschaftsethiker an der Universität Lausanne. „In einer globalisierten Welt sind Unternehmen nicht nur Produzenten, sie machen Politik. Ob sie wollen oder nicht.“

Große Konzerne sollten akzeptieren, dass mit der wirtschaftlichen Macht auch soziale Macht einhergehe. Nationale Regierungen könnten da kaum mithalten. „Unternehmen schaffen Infrastruktur, wenn sie in Südamerika Straßen zu ihren Werken bauen oder wenn sie in Deutschland Universitäten unterstützen“, sagt Palazzo. Oder wenn sie als eifrige Lobbyisten politische Entscheidungen lenken. Wo frisst sich die Straße durchs Land, wer muss dafür weichen? Welche Studiengänge verfügen über genügend Geld, welche sterben aus? Wie viel Geld bleibt dem Bürger, nachdem er seine Medikamente bezahlt hat?

Auch wer aus reinem Eigennutz handelt, wirkt automatisch auf die gesamte Gesellschaft. Wie stark Unternehmen das Geschehen bestimmen, kann jeder erleben, der Bürgermeister beim Buhlen um Industrieansiedlungen beobachtet. Die Ohnmacht der Politik zeigt sich jedes Mal, wenn Konzerne Entlassungen ankündigen – und der Bundeswirtschaftsminister lediglich „mit großer Besorgnis“ reagieren kann.

„Wirtschaften allein ist nicht genug“, sagt auch Carolin Welzel, CSR-Projektmanagerin bei der Bertelsmann Stiftung. Die starren Grenzen zwischen Staat und Wirtschaft weichen auf, wenn der Sozialstaat in die Krise trudelt und soziale Unruhe die Menschen auf die Straßen treibt. „Die Zuständigkeiten werden neu verhandelt“, sagt Welzel. „Was können wir uns leisten, wer macht was? Der Staat allein kann nicht mehr das gute Umfeld liefern, das die Unternehmen für ein erfolgreiches Wirtschaften brauchen. Unternehmen müssen also selbst etwas tun.“

Für Deutschland ist das eine neue Entwicklung. „Im Moment rennt die Herde“, sagt Guido Palazzo, „die Firmen machen was, aber kaum jemand weiß, worum es eigentlich geht. Es gibt keine einheitliche Definition für Corporate Social Responsibility, jedes Unternehmen muss seine eigenen Regeln schaffen.“ Für Palazzo geht es um politisch verantwortungsvolles Handeln, das sich vom Vorstand bis zum letzten Zulieferer in Südindien zieht.

Unternehmenspolitik folgt in der Regel einer Strategie, und viele Unternehmen wollen das Gute. Nur: Das Gute kann vieles sein. Beispiel United Parcel Service: Seit 1951 betreibt der Paketdienst Corporate Citizenship mit der UPS-Foundation. Der Konzern spendet Geld für Alphabetisierungskampagnen und Lebensmittelprogramme und schickt seine Mitarbeiter in Kindergärten, Schulen, Asyle, seine Anwälte beraten Niedrigverdiener in recht-lichen Fragen. In Neuss spendiert UPS einem Kindertreff Geld und Computer, Mitarbeiter renovieren das Gebäude und helfen regelmäßig bei den Hausaufgaben. „Wir wollen gute Bürger sein in dieser Gesellschaft“, sagt Jörg Kainzmaier, bei UPS zuständig für „community involvement".

Beispiel McDonald’s: In Ronald-McDonald-Häusern finden kranke Kinder und ihre Eltern Hilfe, wenn sie in die Klinik müssen. McDonald’s erklärt älteren Menschen das Internet und verteilt Geld und Nahrungsmittel an Erdbeben- und Wirbelsturmopfer. Oder der Versicherungskonzern Axa: Er vermittelt in seiner Aktion „Von Herz zu Herz“ Mitarbeiter, die mit Blinden ins Theater gehen, mit Obdachlosen ein Sommerfest feiern oder mit Senioren wandern. Oder der Verbindungselemente-Hersteller Böllhoff aus Bielefeld: Er bezahlt das Honorar für Sprachlehrer an Kindertagesstätten. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Das ist doch gut, oder?

Die CSR-Managerin Carolin Welzel bestreitet das nicht. Allerdings: „CSR heißt nicht nur, etwas Gutes zu tun“, sagt sie. Es gebe da ein Problem: die Kongruenz. Ein Unternehmen bestehe nicht nur aus seiner Corporate-Citizenship-Abteilung und den Freiwilligen, die sich sozial engagieren. Die besten guten Taten verlören an Gewicht, wenn sich im Kerngeschäft Verantwortungslosigkeit breit mache.

„Schauen Sie sich IBM an“, sagt Welzel, „die machen viel für Behinderte, stellen aber selbst keine ein. Und bei McDonald’s passt es auch nicht zusammen. Auf der einen Seite Kindern helfen und ein freundliches Image aufbauen, auf der anderen Seite Gewerkschaften bekämpfen. Das ist hochkritisch.“ Soziale Verantwortung von Unternehmen besteht nicht in einzelnen guten Taten. Es ist eine Haltung, die das ganze Unternehmen prägt und sein sämtliches Handeln durchzieht.


Was bedeutet es eigentlich, gut zu sein? Broschüren drucken? Die größten Halunken schreiben die besten CSR-Berichte


Die Frage bleibt: Wann wird ein Unternehmen seiner Verantwortung gerecht? Zahlreich sind die Versuche, Kriterien für Corporate Social Responsibility festzuklopfen. Die CSR-Maschine rollt. Am meisten Dampf lässt Global Compact ab, eine UN-Initiative, der sich weltweit 1700 Unternehmen angeschlossen haben. Sie versprechen, die Menschenrechte zu achten, Kinder- und Zwangsarbeit zu vermeiden, die Versammlungsfreiheit zu wahren, die Umwelt zu schützen und umweltfreundliche Techniken zu entwickeln. Das Problem ist nur: Sanktioniert wird nicht, und wer nicht will, muss nicht beitreten. Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (Unctad) schätzt die weltweite Zahl transnationaler Unternehmen auf rund 64 000, die ihrer Töchter auf 870 000.

Ähnlich nebulös ist ein anderes Programm der UN. Auch bei der Global Reporting Initiative bleiben die Standards für Nachhaltigkeitsberichte unverbindlich. So können sich Unternehmen weiterhin selbst loben und verschweigen, was nicht ins Bild passt. „Die größten Halunken schreiben die besten CSR-Berichte“, sagt Palazzo. Hier und da eine gute Tat, das fällt nicht schwer und prägt ein positives Image. Aber Hausaufgabenhilfe hat nichts mit Paketlogistik und Spritverbrauch zu tun, das Internet nichts mit den Bedingungen in Schlachthöfen, in denen Rinder zu Hack verwolft werden, Seniorenspaziergänge nichts mit der Anlagepolitik eines Versicherungskonzerns.

Soziale Verantwortung in der gesamten Wertschöpfungskette kostet Geld und Zeit. Bislang haben die Unternehmen jeden Versuch abgeblockt, konkrete Kriterien verbindlich festzulegen. Als die Vereinten Nationen im August 2003 Normen für Unternehmen aufstellten, torpedierte die Internationale Handelskammer ICC das Papier als „kontraproduktiv“ zum Global Compact. Schon als der Compact im Jahr 1999 ins Leben gerufen wurde, lehnte die ICC verbindliche Regeln ab. Im Juni dieses Jahres beschloss die International Organization of Standardization (ISO) in Stockholm die Entwicklung eines Leitfadens für Corporate Social Responsibility. Die Vertreter der deutschen Wirtschaft, koordiniert durch das Deutsche Institut für Normung (DIN), stimmten dagegen. Das deutsche „Econsense – Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft“ tagte im Oktober in Sachen CSR. Was kommt heraus, wenn 22 deutsche Groß-unternehmen über soziale Verantwortung sprechen? „Das Bedeutende an CSR ist der freiwillige Ansatz“, so Reinhold Kopp, Vorsitzender von Econsense und Generalbevollmächtigter der Volkswagen AG.

So entweicht nationalen und internationalen Initiativen wie dem Global Compact viel heiße Luft. Beispiel Bayer AG: Obwohl Bayer zu den Gründungsmitgliedern des Global Compact gehört, pflücken in Indien Kinder die Baumwolle auf den Feldern, bevor sie schließlich bei Bayer CropScience landet.

Wie kann das sein? „Wir können unsere Zulieferer nicht einfach rausschmeißen“, sagt Bayer-Sprecher Wolfgang Faust, „das gibt nur neue soziale Probleme. Und einfach abhauen wäre auch nicht verantwortlich.“ In den Verträgen stehe ausdrücklich, dass Kinderarbeit verboten sei. „Seit Monaten reden wir mit den Bauern. Die sind gar nicht begeistert.“ Was hält Faust von einheitlichen CSR-Standards, die für alle Unternehmen gelten? Die in Zukunft vielleicht ein CSR-Gütesiegel möglich machen? „Das ist reine Theorie, die kriegen Sie nie unter einen Hut."


Wo Produkte immer ähnlicher werden, soll wenigstens das Image besser sein als das des Wettbewerbers


„CSR funktioniert nur auf Druck“, sagt Cornelia Heydenreich von Germanwatch, einer Nichtregierungsorganisation (NGO), die gegen die Kinderarbeit bei Bayers Zulieferern kämpft. „Druck ist in deutschen Unternehmen derzeit die treibende Kraft für CSR, sagt auch Carolin Welzel. „Die Unternehmen haben Angst vor den NGOs.“ Wenn die Produkte immer mehr und immer ähnlicher werden, mausert sich das Unternehmens-Image zur wichtigen Größe im Wettbewerb. Und mit der weltweiten Vernetzung wächst die Kraft der NGOs in dem Maße, in dem die Macht der auf die jeweiligen Landesgrenzen beschränkten Regierungen an Bedeutung verliert. Das macht Corporate Social Responsibility zur strategischen Unternehmensaufgabe. Gutes CSR-Management ist nicht Goodwill, sondern Risikovermeidung.

Beispiel Otto-Versand: Mitte der neunziger Jahre geriet der Textilhändler ins Visier der „Kampagne für saubere Kleidung“ und stand schnell am Pranger wegen menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen bei Zulieferern in Südostasien. Otto schmiss seine Lieferanten nicht raus, sondern bildete sie aus, obwohl sie sich erst dagegen sträubten. Otto unterwarf sich schon damals Verhaltensregeln, die härter sind als die anderer Unternehmen heute: Was Kinderarbeit ist, bestimmt entweder das nationale Recht oder die Regel der Vereinten Nationen – Otto wählt
jeweils die schärfere Variante. Gezahlt wird nicht nur der gesetzliche Mindestlohn, sondern ein existenzsicherndes Gehalt. Arbeitnehmer dürfen auch mit Überstunden nicht mehr als 60 Stunden die Woche arbeiten, ein Tag in der Woche ist verpflichtend frei. Diese Standards gelten die ganze Wertschöpfungskette hinab bis zum letzten Heimarbeiter.

Heute gilt Otto in Deutschland als Vorreiter in Sachen Corporate Social Responsibility. Und der Image-Gewinn ist nicht alles. Weil der Pestizideinsatz in den Herkunftsländern streng überwacht wird, kommen die Kleider in Deutschland nicht mehr vergiftet an – die teure Reinigung wird gespart. Zudem hat sich Otto ein neues Geschäftsfeld erschlossen: Der Konzern verkauft sein erworbenes Wissen. Seit 2000 berät die Otto-Tochter Systain Consulting andere Firmen bei der Entwicklung und Umsetzung sozial verantwortlicher Management- und Produktionssysteme. Zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr macht Systain zurzeit. „Viel ist das zwar noch nicht“, sagt Geschäftsführer Joachim Schlange, „aber es ist eine wichtige Sache.“ Und die Erkenntnisse aus der Feedback-Schleife kann Otto wiederum für sich nutzen.


Manche Unternehmen sind zu CSR gezwungen – aber auch dann kann etwas Gutes dabei herauskommen


Wenn verantwortliches Handeln so viele Vorteile bringt, warum kommen Unternehmen dann nicht von selbst darauf? „Das ist gar nicht im Bewusstsein“, sagt Joachim Schlange, „man denkt in den üblichen ökonomischen Kriterien und vergibt Aufträge nach Stückzahl und Preis. Da guckt sich keiner eine Fabrik an. Ohne NGOs weiß doch kaum jemand, wie die Zulieferer arbeiten. Es braucht immer eine Initialzündung."

Kurzfristige Zahlenökonomie verhindert langfristig gute Geschäftszahlen. Mit nichts außer einer Gewinnerwartung als Ziel frickelt sich das Unternehmen durch die Tage. „Viele Manager denken, CSR kostet Geld und bringt nichts“, sagt Carolin Welzel. „Die Unternehmen werden in dem Tempo dümmer, in dem die Chefs wechseln. Niemand fühlt sich richtig verantwortlich, jeder guckt, dass er wieder wegkommt."

Wobei das Monetäre nur die eine Seite ist. Die Ignoranz gegenüber menschenverachtenden Arbeitsbedingungen habe auch damit zu tun, dass Menschlichkeit in der Regel keine Punkte beim Chef bringt, so Welzel. „Ghandis“ auf den Chefsesseln erwartet sie trotzdem nicht. Sie will die Verantwortlichen mit ökonomischem Nutzen locken. Statt unverbindliche Palaver-Runden zu moderieren, arbeitet die Bertelsmann Stiftung an einem CSRHandbuch, das auflisten soll, wie soziale Verantwortung von Unternehmen funktioniert und was sie bringt. Zudem sollen erfahrene Mentoren CSR-Neulinge beraten. So lange, bis CSR irgendwann Standard wird.

Bewegen werden sich zunächst weiterhin diejenigen, die mit dem Rücken zur Wand stehen und CSR benutzen, weil sie nicht anders können. Aber auch dann kann etwas Gutes dabei herauskommen. Beispiel Herlitz: Deutschland größter Schulhefteproduzent war 2003 gerade der Pleite entwischt, als er CSR entdekkte. Herlitz stand unter Druck, aber von innen. Geld war keines mehr da, schon gar nicht fürs Marketing. „Wie können wir die Marke trotzdem positiv aufladen?“, fragte sich Silke Ramelow, damals im Herlitz-Marketing. Heute ist Ramelow Chefin von Bildungscent e.V., der Klappe, mit der Herlitz zwei Fliegen auf einmal schlägt.

„Wie bündeln wir unser soziales Engagement so, dass auch Herlitz etwas davon hat?“, fragte Ramelow. Die Antwort: Statt hier und da aus Altruismus einen Packen Hefte zu spendieren, schickt Herlitz nun Schul-Coaches in die Klassen. Die arbeiten bis zu vier Monate lang mit den Schülern: Gärten anlegen, Zeitungen konzipieren, das Lernen lehren, das Schulgelände neu planen. Alles Dinge, die die Lehrer im Alltagsbetrieb nicht schaffen. „Das ist eine andere Form der Werbung“, sagt Silke Ramelow, „und die Kosten sind gering, verglichen mit einem üblichen Marketingbudget." Wird da nicht Schindluder getrieben mit dem Gutsein? „Solange beide Seiten etwas davon haben, sehe ich uns auf der richtigen Seite.“

Herlitz will nun auch die nächsten Schritte gehen: CSR muss hinein ins Unternehmen. Die Azubis verbringen zwei Wochen beim Bildungscent, demnächst sollen Herlitz-Beschäftigte zeitweise für die Arbeit an Schulen freigestellt werden. Das wird nicht reichen, das weiß auch Silke Ramelow. „Aber man muss irgendwo anfangen. Bei uns war’s eben die Marketingabteilung."

Aber was ist, wenn soziale Verantwortung in der Marketing-abteilung hängen bleibt? Ist die gute Tat dann auch noch eine gute Sache? Cause Related Marketing statt Corporate Social Responsibility. Prominentestes Beispiel: Saufen für den Regenwald – Krombacher. „Mit jeder Kiste Krombacher-Pils, die Sie in Zukunft kaufen, schützen Sie einen Quadratmeter afrikanischen Regenwaldes“, warb der Bierbrauer im Jahr 2002. Das rief die Konkurrenten auf den Plan, per Gericht wurde der Slogan umgehend verboten. Begründung: Er sei nicht mit den guten Sitten des Wettbewerbs vereinbar, denn es werde mehr versprochen, als im Ergebnis gewährleistet werden könne.

Das tat der Sache keinen Abbruch. Flugs entschärfte Krombacher seinen Werbespruch, verkaufte weiter sein Bier für den Regenwald und überwies im Laufe von drei Jahren rund 2,3 Millionen Euro an den World Wildlife Fund (WWF), der nun über die Regenwald-Stiftung zwei Nationalparks von insgesamt 2400 Quadratkilometern Fläche vor Holzeinschlägern schützen soll. Für Krombacher ist das Regenwaldprojekt die bislang erfolgreichste Marketingkampagne der Unternehmensgeschichte.

„Wir helfen Krombacher, weil Krombacher uns hilft“, sagt Olav Bouman, Marketingchef des WWF-Deutschland. Wo die Grenzen für glaubwürdiges, verantwortliches Handeln von Unternehmen im Sinne des WWF liegen, bestimmt er eher nach Bauchgefühl. Bouman sieht sie bei Branchen wie Erdöl, Waffen oder Tabak. „Überall dort, wo Menschen zu Schaden kommen.“ Der WWF pflegt auch Kontakte zu ungeliebten Unternehmen, wenn es dem Guten einen Weg bahnt. Mit dem französischen Baumaterial-Riesen Lafarge kooperiert die Umweltschutzorganisation, um deren CO2-Ausstoß zu verringern. „Lafarge bläst doppelt so viel CO2 in die Luft wie die Schweiz“, sagt Bouman, „wenn die sich ändern, ist das effektiv.“ Lafarge reduzierte seinen Schadstoffausstoß und bezahlt den WWF für Beratungsleistungen. Im Gegenzug darf sich der Konzern Partner des WWF nennen.
Rund zehn Prozent des WWF-Haushalts machten Unternehmensspenden und -kooperationen aus, sagt Marketingmann Bouman. Die Spendensammler profitieren auch von den CSRProgrammen der Unternehmen. „Wir kommen durch die Tür“, sagt Bouman, „andere schmeißen die Scheiben ein."

Marketing mit einer guten Sache ist nicht jedermanns Fall. „Von PR-Nummern halte ich nichts“, meint Carolin Welzel von der Bertelsmann Stiftung. „Tue Gutes und rede darüber – lang-fristig bringt das nichts, weder der Gesellschaft noch dem Unternehmen. Denn was hat etwa der Regenwald mit Bierbrauerei zu tun? Wer wirklich gut ist, muss den Erfolg nicht heranwerben.“ Es könne nicht sein, „dass sich eine Firma rausputzt mit einer Aktion, die nichts mit ihrem Produkt zu tun hat“, sagt auch Greenpeace-Sprecherin Svenja Koch. „Um ihr Produkt aber hat sich eine Firma zuerst zu kümmern, denn daran kann nur sie selbst etwas ändern."

Wenn Firmen einzelne Aktionen unterstützen, ist das für Koch eher Ablenkung als eine gute Sache. „Was nützt es, wenn ein Handyhersteller in Afrika Schulen ausstattet, ein paar Kilometer entfernt aber der Coltan-Abbau die Umwelt zerstört.“ Ohne das Erz Coltan funktioniere derzeit kein Handy. Und die Schulhilfen finanziere der Hersteller von dem Geld, das er mit dem Verkauf seiner Handys verdiene. Wann also würde das Unternehmen sozial verantwortlich handeln? „Wenn es Handys baut, ohne Coltan zu verwenden“, sagt Svenja Koch. Greenpeace setzt auf Konfrontation, nicht auf Kooperation, denn die bringe nichts, sagt Svenja Koch, „weder für die NGOs noch für das Unternehmen".


Auch Investoren wollen im Prinzip das Gute – allerdings nur solange auch die Rendite stimmt


Das Gute hat viele Gründe. Den Sinn für Gerechtigkeit. Das schlechte Gewissen. Den Druck von außen. Den Druck von innen. Die Marketingmasche. Kooperation. Konfrontation. Doch sozial verantwortliches Wirtschaften wird sich nur dann langfristig durchsetzen, wenn es erfolgreich ist. Nur: Was ist Erfolg? Geld – das unterscheidet in einem gewinnorientierten Wirtschaftssystem den Gewinner vom Laumeier. Bislang hat noch kein Unternehmen, kein Forschungsinstitut den geldwerten Vorteil von CSR ausrechnen können. Doch schaut man sich die Investoren an, wird schnell deutlich, dass soziale Verantwortung zunehmend zur Geschäftsgröße wird. Wer künftig erfolgreich sein will, muss Rücksicht auf andere nehmen und kann sich nicht mehr benehmen, wie er will.

Neben den NGOs mit ihrem öffentlichen Gewissen werden die Investoren mit ihrem Geld zur Triebkraft für verantwortungsvolles Management. Die Nachhaltigkeitsfonds in Deutsch-land haben mittlerweile 4,5 Milliarden Euro eingesammelt, vermeldet das Sustainable Business Institute an der European Business School in Oestrich-Winkel – vor acht Jahren waren es nur 300 Millionen Euro. Trotzdem, wirklich viel ist es im Vergleich nicht: Allein die klassischen deutschen Aktienfonds sind rund 130 Milliarden Euro schwer. „Aber das ist auch erst der Anfang“, sagt Robert Haßler von der Münchner Rating-Agentur Oekom Research. Er prüft im Auftrag von Investoren die Umweltverträglichkeit von Unternehmen.

Von Leuten wie Haßler hängt es ab, ob eine Firma bei den Geldgebern als gute Firma gilt, ob Fondsmanager das Unternehmen in ihr Portfolio aufnehmen und ob Banken mit Krediten aushelfen. Firmen mit gutem Nachhaltigkeits-Rating gelten als krisenfest. Und Investoren wollen Sicherheit. „Die sitzen am längeren Hebel“, sagt Haßler. „Und wenn die Performance stimmt, schließt sich bald der Mainstream an."

Der Mainstream. Du und ich. Die Masse. Letztlich wird sie entscheiden, ob Unternehmen sozial verantwortlich handeln. Corporate Social Responsibility ist nicht zu haben ohne Consumer Social Responsibility. Robert Haßler meint, derzeit seien rund fünf Prozent der Anleger bereit, für eine sozial verantwortungsvolle Geldanlage auf Rendite zu verzichten. „Die Deutschen sind skeptisch“, sagt Haßler. „Sie glauben, die Unternehmen wollten nur irgendeinen Schlamassel wieder gutmachen. In Skandinavien etwa denken die Leute eher: Aha, die lernen dazu."

Wieso sind die Deutschen so misstrauisch? „Es kommt ja auch immer wieder was heraus“, brummt Ottmar Lell, der Referent für Nachhaltigkeit beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Das Interesse am Verhalten von Unternehmen sei durchaus gewachsen. Aber wie solle der Verbraucher einschätzen, ob eine Firma gut ist oder nur so tut? Mancher Nachhaltigkeitsfonds surft auf der Gewissenswelle und nimmt seine Kriterien eher locker. Diverse Ratings ergeben diverse Ergebnisse. Selbstauskünfte der Unternehmen? „Wenn ich den Nachhaltigkeitsbericht von Shell lese, glaube ich, Shell ist ein Naturschutzunternehmen“, stöhnt Lell, „das ist doch alles eine reine Werbeveranstaltung."

Würden die Deutschen denn verantwortlich kaufen, damit Unternehmen verantwortlich handeln können? Ottmar Lell leidet ein wenig an seiner Klientel. „Hier geht’s über den Preis. Man muss den Leuten schon sagen: Wegen dieses T-Shirts haben sich zehn indische Arbeiter vergiftet. Dann reagieren sie.“ Aber wo gibt es das schon? Also herrscht weiterhin die Koalition der Unwilligen. Auf der einen Seite die Mehrheit der Unternehmen, die zur sozialen Verantwortung gezwungen werden müssen, auf der anderen Seite die Geizkragen, die sich dank ihrer gewollten Unwissenheit für billig die Einkaufstaschen füllen, ohne dass sie Gewissensbisse dabei quälen.

Doch damit könnte es bald vorbei sein. Die neben der Kirche glaubwürdigste Institution Deutschlands, die Stiftung Warentest, wird ab sofort neben den Produkteigenschaften auch die Herstellungsbedingungen testen. Und veröffentlichen. Los geht’s mit Regenjacken, Waschmitteln und Tiefkühllachs.

Nun kann niemand mehr behaupten, er hätte nichts gewusst. –

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