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brand eins, Mai 2006                                                                                                         zurück zur Übersicht

Nicht mit mir

In Geschäftsbeziehungen muss man sich einiges bieten lassen.
Aber nicht alles.

Wenn man keine Angst vor dem Ende hat.

„Wir sind Geschäftspartner.“ Das ist schnell gesagt und oft gelogen. Man ist miteinander im Geschäft – aber Partner?

Das Chemieunternehmen Celanese AG aus Kronberg bei Frankfurt am Main verschickte im Januar einen Brandbrief an seine Lieferanten. „Wir erwarten … von Ihnen eine sofortige Kostenreduzierung in Höhe von zehn Prozent sowie weitere zehn Prozent innerhalb der nächsten zwei Jahre.“ Falls die Zulieferer nicht innerhalb von drei Wochen antworteten, fasse man dies als Zustimmung auf. Und außerdem begleiche man künftig Rechnungen erst „60 Tage netto ab Rechnungseingang“.

Kein Einzelfall. KarstadtQuelle etwa räumte sich im Jahr 2001 eigenmächtig einen Einkaufsrabatt von 2,5 Prozent
ein – und wurde abgemahnt. Im März 2005 tütete der Konzern erneut einen Brief ein: Er forderte die Lieferanten auf, sich „mit einem deutlichen Beitrag“ an der Konzernsanierung zu beteiligen.

Wer stark ist, kann sich Unfairness leisten und Vorteile sichern. Der Schwächere kann sich fragen: Wann reicht es? Allerdings macht es Angst, das bis zum Ende zu denken.

Unter Drückern

Wie schwer das fällt, erfährt Friedrich-Wilhelm Weber beinahe täglich. Der Leiter Unternehmensberatung der Handwerkskammer Aachen, der auch Gründer betreut, sagt: „Von Kunden müssen sie sich mehr gefallen lassen als von einem Chef, denn sie brauchen Aufträge, sie müssen sich etablieren.“ Fliesenleger, Maurer, Tischler kämpfen mit der deutschen „Mängelkultur“, in der jeder Millimeter zwischen Duschwanne und Wand einen Preisnachlass bedeutet, in der Bauträger pauschal Mängel gegenrechnen und so im Nachhinein die Preise drücken. „Inzwischen geben die Unternehmen den Reklamationen der Kunden immer schneller nach.“ Bezahlt wird trotzdem mit Verzögerung. Laut einer Studie der Aachener Handwerkskammer begleichen drei von vier privaten Auftraggebern ihre Rechnung innerhalb der gängigen 30 Tage. Bei gewerblichen Kunden ist es nur jeder zweite, öffentliche Auftraggeber schneiden noch schlechter ab.

Die meisten Firmen lassen sich das bieten – 61 Prozent der befragten Firmen würden ihr Geld nie einklagen, aus Angst, wichtige Kunden zu verlieren. Kaum jemand denkt über das Ende einer Geschäftsbeziehung nach. „Die Frage, was man sich bieten lassen muss, ist kein Thema“, sagt Weber. Das hat Folgen. Bei mehr als jedem vierten Handwerksbetrieb fließen zwischen 20 und mehr als 50 Prozent der Umsätze verspätet. Also müssen sie Überbrückungskredite aufnehmen, Investitionen hinauszögern oder Mitarbeiter entlassen. Laut Kammer-Umfrage ist jeder fünfte Betrieb aufgrund der schlechten Zahlungsmoral in Existenznot.

Auf den ersten Blick scheint das Machtgefälle unüberwindlich. Auf der einen Seite stehen relativ wenige Auftraggeber, auf der anderen Seite das Heer der Anbieter. Wie findet man aus dieser Zwickmühle heraus?
     „Es ist eine Frage der Haltung“, sagt Monika Söller. Die 40-jährige Designerin betreibt mit drei Partnern Raum.4. Die Kölner Firma entwirft seit vier Jahren Räume für Privatleute und Unternehmen, konzipiert Ausstellungen und Präsentationen. Eigentlich ist die Firma so klein, dass sich Söller alles bieten lassen müsste. Das aber wäre das Ende – Raum.4 ist schlicht zu klein, um sich betuppen zu lassen. Deshalb zieht Söller lieber selbst einen Schlussstrich – schon bevor eine Geschäftsbeziehung beginnt.

„Vorleistung“, sagt Söller, „so etwas gibt’s nicht.“ Eine mutige Haltung, denn von Architekten und Planern wird erwartet, dass sie Vorkonzepte gratis erstellen – Geld dafür gibt’s erst nach dem Zuschlag für das ganze Projekt. Bleibt der Auftrag aus, gucken sie in die Röhre. Söller hat das zweimal mit sich machen lassen, seitdem führt sie lediglich Beratungsgespräche gratis. „Konkrete Planung mache ich nur gegen Entgelt und mit 50 Prozent Anzah-lung. Privatkunden finden das ganz in Ordnung. Geschäftskunden sind dagegen eher verwundert, vielleicht weil sie das für sich selbst nicht durchsetzen können.“

Söllers Erfahrung: „Wenn man das durchhält, findet man auch die Kunden, die zu einem passen. Wer hier anruft, kennt meist unsere Arbeit und unsere Bedingungen. Das erleichtert die Geschäftsbeziehungen enorm.“ So bekommt Raum.4 relativ wenig Anfragen, aber im Schnitt werden aus zehn Anfragen acht Aufträge, bei denen das Geld pünktlich fließt. „Unser Wachstum braucht etwas Zeit, aber das übliche Geschäftsgebaren mit unbezahlten Leistungen, wo bitte soll das denn hinführen?“

Ist Nein-Sagen wirklich so einfach? Eine gute Stunde Auto-fahrt nördlich von Raum.4, in Kamp-Lintfort am Niederrhein, steht im Foyer seiner Firma ein großer, kräftiger Mann mit breiter Stirn, die schnell rot wird, wenn er sich aufregt. Thomas Berger ist 46 Jahre alt, Inhaber und Geschäftsführer der Berger GmbH („Glas, Licht, Metall“). Das Unternehmen mit rund 60 Mitarbeitern ist mehr als hundert Jahre alt und baut Leuchtreklamen, Glasfassaden, Messestände und auf Wunsch auch schon mal eine Weltkugel von 18 Metern Durchmesser. Berger ist kein Krauter, aber auch nicht so groß, dass er die Regeln diktieren könnte. Trotzdem hat er vor zwei Jahren riesengroß „Wir haben die Schnauze voll“ auf seine Firmenwand geschrieben und eine gleichnamige Aktion gestartet. „Das hat unseren Betrieb durcheinandergerüttelt, als Start-up hätten wir das nicht überlebt“, sagt er.

Berger war damals am Ende. Er kämpfte sich durch 60-seitige Verträge für 5000-Euro-Aufträge, stritt um Reklamationen und gekürzte Rechnungen, trieb Zahlungen ein. Seine GmbH hatte Außenstände von 850 000 Euro, was zwar nicht an die Substanz des Unternehmens ging, aber an seine. „Drei Viertel meiner Zeit ging für Sachen drauf, die mit meiner eigentlichen Arbeit nichts zu tun hatten.“ Nach einem Bandscheibenvorfall sagte Berger: „Ich will nicht mehr.“ Und holte sich Hilfe von Jürgen Vogdt, einem Künstler und Kommunikator aus dem Örtchen Labbeck, einem Mann mit Kontakten und Ideen. Sie brachten den Schnauze-Spruch an die Wand und gossen eine 2,1 Kilogramm schwere Bronzefaust. Die stellte sich Berger auf den Schreibtisch zur Erinnerung daran, dass er nicht mehr klein beigeben will.

Die eigentliche Revolution aber fand hinter verschlossenen Türen statt, bei jeder Verhandlung, mit jedem Nein, das Berger seinen Gesprächspartnern ins Gesicht sagte. Anfangs saß Jürgen Vogdt immer mit am Tisch, damit Berger nicht umfällt. Wenn der Preis zu niedrig war, sind sie gegangen. Sie haben Geschäftsbedingungen umgeschrieben oder mit Kommentaren versehen zurückgegeben. Wenn ein Bauleiter von jetzt auf gleich Befehl zum Rapport gab, sind sie nicht hingegangen. Sie jagten nicht mehr für einen 30-Minuten-Termin bei einem potenziellen Kunden bis tief hinunter nach Süddeutschland. „Es war ein Motivationsprogramm“, sagt Berger, „für mich und meine Firma.“

Er ist viele Preisdrücker losgeworden. Seine Außenstände betragen zurzeit nur 50 000 Euro. Er bekommt wieder Anzahlungen. Berger arbeitet auch nicht mehr für öffentliche Auftraggeber. „Bei den Ausschreibungen sind wir einer von 50, das machen wir nicht mehr mit.“ Doch Berger verlor auch Kunden, auf die er nicht verzichten wollte. Große Kunden, die vorher gute, anspruchsvolle Arbeit vergeben hatten. Er spricht von „Kollateralschäden“, und man sieht ihm die Sorgen von damals noch heute an. Berger verlor zunächst 42 Prozent seines Umsatzes, musste sechs Leute entlassen. „Das hatte ich nicht erwartet.“ Bergers Unternehmen hat überlebt, weil seine Konsequenz neue Auftraggeber anlockte, die ebenfalls auf der Suche waren nach einem verlässlichen und soliden Partner.

Am Jahresende hatte Berger nur noch 15 Prozent weniger Umsatz zu verzeichnen, inzwischen stellt er wieder Leute ein. Er schläft inzwischen ruhiger, hat Zeit für seine Frau und die drei Kinder. Und er hat Partner gefunden. Mit zwei großen deutschen Lichtwerbefirmen hat Berger „Murphys Plan“ gegründet. Die GmbH mit Jürgen Vogdt an der Spitze dient als gemeinsame Clearing-Stelle im Kontakt mit möglichen Kunden, prüft Verträge und handelt sie weiter aus. In der GmbH wird darüber entschieden, mit wem Berger zusammenarbeitet. Thomas Berger ist zuversichtlich: „Was sich sucht, das findet sich auch.“

Nun ist die Suche nach fairen Geschäftspartnern für ein Unternehmen wie die Berger GmbH mit breiter Produktpalette und einer großen Zahl möglicher Auftraggeber relativ leicht. Aber was soll einer machen, der nur ein einziges Produkt anzubieten hat, das zudem austauschbar ist? Für das es nur wenige Abnehmer gibt? Ein Produkt wie Milch? Kann ein kleiner Milchbauer Nein sagen? Er kann – wenn er es schafft, folgende Regel außer Kraft zu setzen: „Wenn du drei Bauern unter einen Hut kriegen willst, musst du zwei totschlagen.“

Franz-Josef Dohle, 52, Milchbauer aus Rüthen-Kallenhardt im Sauerland, mag diesen Spruch. Er bekam kurz vor Weihnachten 2000 einen Brief von seiner Molkerei, an die schon seine Eltern die Milch lieferten. Dohle sollte plötzlich einen Cent weniger pro Liter bekommen als die Großbauern. „Das kann ja wohl nicht sein“, dachte er sich. „Meine Milch ist doch genauso gut. Das ist ungerecht.“

Er kündigte sofort und begann nach Partnern zu suchen. Mit ihnen wollte er die magische Grenze von einer Million Litern erreichen, damit alle wieder den guten Preis bekommen – was die Molkerei prompt ablehnte. Der Unmut der kleinen Bauern wuchs, schließlich verließen 400 Bauern ihre alte Molkerei und suchten eine neue. Dohle gründete mit rund 40 Landwirten die Milcherzeugergemeinschaft Sauerland und nahm die Vermarktung in die eigenen Hände. „Wir wollten nicht wieder in Abhängigkeit geraten.“ Sie fanden schnell eine weiter entfernte Molkerei, die ihnen einen besseren Preis einräumte.

Mittlerweile haben sie noch einmal die Molkerei gewechselt und erzeugen seit einem Jahr als einzige konventionelle Milchbauern in Deutschland zertifizierte gentechnikfreie Milch, die etwas billiger als Biomilch verkauft wird. Sie sind jetzt nicht mehr x-beliebige Bauern, sondern die mit der gentechnikfreien Milch. Wären sie bei ihrer angestammten Molkerei geblieben, bekämen sie heute fünf Cent pro Liter weniger.

Wenn das Erzeugergemeinschaftsmodell so gut funktioniert, warum nehmen denn nicht mehr Bauern ihr Geschäft in die eigenen Hände? „Der Bauer wehrt sich nicht, er hat das nicht gelernt.“

Unter Umständen

Wer sich wehrt, riskiert den Bruch mit dem Kunden. Das kann sich nur leisten, wer Alternativen hat. Im Gegensatz zu Raumplanern oder Handwerkern ist das für klassische Zulieferbetriebe schwieriger, in der Automobilbranche etwa, im Maschinenbau, in der Elektroindustrie. Ihre Verträge laufen über mehrere Jahre. Sie richten ihre Entwicklung, ihren ganzen Betrieb auf ihre Kunden aus.

„Wir sind so stark miteinander verbandelt, da kann man sich nicht einfach voneinander trennen“, sagt Klaus Urbat, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (Argez), die rund 8000 Unternehmen vertritt. In den vergangenen Jahren haben Konzerne die Entwicklung immer stärker ausgelagert und sich so abhängiger von Zulieferern gemacht. Faire Geschäftsbeziehungen herrschen deshalb allerdings noch lange nicht. Der Preisdruck hat laut Urbat zwar etwas nachgelassen, weil neue Produkte inzwischen häufig auf einen Zielpreis hin entwickelt werden. „Die Frage ist jedoch, wie diese Entwicklung bezahlt wird. Als Einzelleistung oder pro geliefertem Teil? Und was ist, wenn sich ein Auto etwa nicht verkauft?“ Urbat beklagt zudem den mangelhaften Schutz von Know-how, wenn Abnehmer das Zuliefererwissen an Zweite und Dritte weiterreichen. Gewährleistungsfristen würden unzumutbar ausgedehnt, Fehler würden nicht mehr nach tatsächlichem Behebungsaufwand, sondern pauschal berechnet.

Muss man sich das bieten lassen? „Selbst große Zulieferer sind im Vergleich zu den Abnehmern kleine Firmen“, sagt Urbat. „Wenn sich da ein Lieferant trennt, verliert er schnell 30 Prozent seines Umsatzes. Das kann kaum einer verkraften. Zulieferer müssten innerhalb der Branche wechseln, doch die wird immer kleiner.“ Auf Konfrontation setzt kaum einer. „Zulieferverhältnisse sind langfristige Beziehungen mit Millionenumsätzen, da verklagen Sie Ihre Kunden nicht“, sagt Theodor L. Tutmann, bei der Argez zuständig für Verhandlungen mit Abnehmern. „Manche Zulieferer verzichten lieber auf 20 Prozent des Umsatzes, als dass sie klagen. Denn das spräche sich ganz schnell herum, und dann gelten Sie als schwieriger Partner, und keiner will Sie mehr.“

Die Zulieferer versuchen sich deshalb über die Argez zu helfen. Stellvertretend verhandelt die Gemeinschaft mit Abnehmern über kritische Punkte in den Geschäftsbedingungen. Die Erfolge sind bescheiden. Es bleibt weiterhin an den einzelnen Zulieferern, sich gegen Unfairness zu wehren. Sie müssen entscheiden, was sie sich bieten lassen. Und was nicht. Welchen Spielraum haben sie?

„Wer seine Lieferanten triezt, behält nur die schwachen, die nicht weggehen können“, sagt Bertram Kawlath, „das schadet auch dem Abnehmer.“ Kawlath ist Geschäftsführer des Eisenwerks Erla der Unternehmensgruppe Schubert & Salzer. Die 265 Mitarbeiter stellen 1600 verschiedene Gussteile her. Rund 65 Prozent ihres Umsatzes machen die Sachsen in der Autoindustrie, mit Abgaskrümmern etwa und Turboladergehäusen. Kawlath hat 200 Kunden. „Ich brauche viele Abnehmer, damit mich keiner in die Ecke drücken kann.“

Er braucht aber auch ein dickes Fell. Er akzeptiert Verträge, laut denen er bei vier Jahren Laufzeit jedes Jahr immer weniger Geld pro geliefertem Teil erhält – wegen der angenommenen Effizienzsteigerung in der Produktion. Abnehmer haben seinen Betrieb geprüft, haben erkannt, dass er einen besseren Preis bräuchte – und nicht gewährt. „Wir treiben Spiele miteinander“, sagt Kawlath.

Er erweitert seinen Spielraum durch Forschung. „Wir müssen Marktführer werden bei vielen kleinen Produkten.“ Sein Werk hat die Lücke bei nickellegierten Werkstoffen gefunden. Wer etwa Turboladergehäuse will, kommt an Kawlath nicht so schnell vorbei. Weil das so ist, ist er nicht erpressbar – für hochwertige Gussteile bekommt er mitunter zehnmal so viel Geld wie für Massenware.

Trotzdem zieht auch Kawlath zuweilen einen Schlussstrich. „Das Ende ist da, wenn ein Einkäufer trotz bestehender Verträge ohne Grund plötzlich fünf Prozent weniger zahlen will. Ich kleb’ doch nicht noch Geld an mein Produkt.“ Entscheidend sei, wie man sich trenne. „Sie dürfen den Abnehmer niemals in die Bredouille bringen. Wenn Sie das machen, sind Sie tot.“ Weil der Abnehmer seine Produkte nicht von heute auf morgen bei einem anderen Lieferanten beziehen kann, muss ihm der gepresste Zulieferer auch noch den Nachfolger organisieren. Kawlath arbeitet dann für seinen ehemaligen Abnehmer eine andere Gießerei ein, stellt dort die Maschinen auf, schult die Arbeiter. Beißt er dabei nicht vor Wut ins Kissen? „Man darf das nicht persönlich nehmen.“

Genau damit hat Ewald Schreiber ein Problem. „Wir sind eine kleine Klitsche“, sagt der Geschäftsführer bei M. Britze Elektronik Gerätebau, einem Zulieferbetrieb in Berlin. 40 Mitarbeiter, die Leiterplatten und Geräte bauen, für Bergbau, Medizintechnik, Maschinenbau. Schreiber entwickelt auch gern so exotische Dinge wie Reisebustoilettensteuerungen und Überwachungsanlagen für ungeerdete Netze unter Tage. Da ist Schreiber ein kleiner Monopolist.

Er misst seine Geschäftsbeziehungen nicht nur am Geld. „Sachlichkeit, das wollen die Leute immer gerne hören. Aber wer mit Abnehmern verhandelt, wird auch gekränkt, geknickt, enttäuscht. Ich habe deshalb Geschäftsbeziehungen begraben, denn es ist schlimm, wenn man seine Würde verliert. Zwangssouverän sein, immer stark, das ist eine Lüge, und mit dieser Lüge lebt es sich nicht gut.“ Offene Worte. Kaum jemand spricht über die Art und Weise, wie er von seinem Geschäftspartner behandelt wird. „Augenhöhe und Würde sind die Minimalvoraussetzung für jede Beziehung“, sagt Schreiber. „Wenn mein Gegenüber mit einer Egal-Haltung ins Gespräch geht, dann wird das kein erfreuliches Geschäft.“ Er fühlte sich oft als „kleine Drecksau“ behandelt. Etwa, wenn die Einkäufer großer Konzerne ihre Lieferanten antanzen lassen, ihnen keinen Stuhl und keinen Kaffee anbieten, aber 15 Prozent Nachlass verlangen. „Das ist normal in der Industrie“, sagt Schreiber, „und es ist anmaßend.“

Er lässt sich das nicht mehr bieten. Er gibt potenziellen Kunden auch nicht wie andere Auskunft über seine persönlichen Rentenpläne oder über die Größe seiner Betriebstoiletten. Zulieferer ist er trotzdem geblieben. „Ich habe inzwischen eine Auswahl an Kunden, da gibt es nur noch wenig Enttäuschungen.“

Es ist fast wie ein kleines Wunder. Es ist nicht so, dass Britze mit seinen Leiterplatten einmalig wäre auf dem Markt. „Bestücken, löten, Sichtkontrolle – das machen tausend andere Unternehmen auch“, sagt Ewald Schreiber. Trotzdem müsse man sich trauen. „Ich habe diverse Aufträge nicht bekommen. Aber trotzdem ist es richtig. Ich kann mich nicht verleugnen. Ich kann nur meine Persönlichkeit anbieten. Alles andere ist doch austauschbar.“

 

Unter Gleichen

Groß gegen Klein. Einkäufer gegen Verkäufer. Abnehmer gegen Zulieferer. In solchen asymmetrischen Beziehungen sind Machtspiele, Unfairness und gestörte Geschäftsbeziehungen kein Wunder. Hier ist der Vorteil des einen schnell der direkte Nachteil des anderen. Jeder will an seine Sachen kommen – eine gemeinsame Sache ist es nicht.

So gesehen müsste es bei Kooperationen anders laufen. Ihr Vorteil ist gerade, dass mehrere Gleiche auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten: mehr Kunden, bessere Kunden, im Endeffekt bessere Geschäfte für alle Beteiligten. Es läuft aber in der Regel nicht besser. Die meisten Kooperationen zerbrechen nicht an übermächtigen Kunden. Kooperationen scheitern an sich selbst.

     „Es gibt viel mehr gescheiterte Kooperationen als solche, die optimal funktionieren.“ Das ist die bittere Wahrheit von Georg Unger. Der 40-jährige Kölner berät mit seiner Firma Kokon Consult seit Jahren diverse Verbünde, vor allem im Handwerk. Warum sind so viele so schnell am Ende? „Weil man sie steuern muss, weil die Partner ihre Geschäftsbeziehung ganz alleine miteinander aufbauen müssen.“ Damit sind viele Handwerker überfordert. „Sie kommen häufig aus hierarchischen Strukturen“, erklärt Unger. „Sie schließen sich zusammen, um ihren persönlichen Gewinn zu maximieren. Dafür aber müssen sie Mehrheiten akzeptieren, Entscheidungen mittragen, die sie selbst nicht gut finden. Das nicht zu tun ist der Problem-Klassiker.“

Selbstständiger Unternehmer und zugleich Kooperationspartner sein – das zerreißt den Einzelnen. Da macht er lieber einen eigenen Auftrag zu Ende und schwänzt das Monatstreffen oder hält sich nicht an gemeinsame, mitunter kostspielige Qualitätsnormen. Da behält er sein Geld für sich und zahlt nicht in den gemeinsamen Marketingtopf. Oder vermittelt einen Auftrag nicht in die Kooperation, sondern an einen ebenfalls begehrten Geschäftspartner außerhalb.

Wie lange sollen sich die anderen solche Regelverstöße bieten lassen? Georg Unger sagt unmissverständlich: „Regeln müssen wie Gesetze gelten. Ich rate dazu, sich möglichst schnell zu trennen. In den meisten Kooperationen dauert das viel zu lange, da leidet dann schon das ganze Netz.“

Sich trennen fällt schwer, weil die Kooperierenden oft eine besonders gute Beziehung zueinander haben – allerdings eine persönliche. „Das ist doch der Hermann, den können wir nicht rausschmeißen“, so Unger über eine verbreitete Haltung. Hinzu komme: „Es wird gegründet, ohne zu bedenken, dass es auch zu Ende gehen kann. So wird eine Trennung schnell zur bedrohlichen Situation.“

Nicht zuletzt, weil viele Kooperationen eine Rechtsform wählen, in der man nicht einfach jemanden rauswerfen kann: Die verbleibenden Partner müssten den Ausgestoßenen auszahlen. Und dann ist da noch die Angst, der Nächste zu sein. „Was fehlt, ist eine sachorientierte Konfliktfähigkeit“, sagt Unger. „Die Leute reden nicht miteinander.“ Was wiederum die Gefahr birgt, dass der Abtrünnige die Kooperation im Nachhinein in der Branche aus Rache madig macht.

In Kooperationen sind Trennungen eine Frage der Professionalität. „Scheitern ist keine schlimme Sache“, sagt Unger. „Beim nächsten Mal findet man meist bessere Partner, auch weil man die Spielregeln besser kennt.“ Entwicklung durch Selektion. In Kooperationen ist das ein Weg: Rund die Hälfte aller Gescheiterten nehmen ihn auf sich, und irgendwann verlieren Trennungen ihren Schrecken. „Wir zerreißen uns nicht mehr“, sagt auch Claudia Vohwinkel, Architektin und Geschäftsführerin der Düsseldorfer Hand-in-Hand-Werker. Die Kooperation macht alles, was unter ein Hausdach und in einen Garten passt – seit acht Jahren. Sie sind elf Gesellschafter und neun Partnerunternehmen. Fünf Gesellschafter sind in den Jahren gegangen. Oder gegangen worden.

„Eine Kooperation ist keine Auftragsbeschaffungsmaschine“, sagt Vohwinkel, „keine Kuh, die ständig Milch gibt. Da ist manch einer böse erwacht.“

Die Hand-in-Hand-Werker streiten nicht groß herum, denn sie haben ihre Regeln vertraglich vereinbart. „Wahrheit und Klarheit, das ist das Motto“, sagt Vohwinkel, „und wir handeln danach. Jede Trennung bedeutet natürlich eine Schwächung. Aber letztlich stärkt sie uns, weil wir uns weiterentwickeln.“ --

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