brand eins, Mai 2008 zurück zur Übersicht
Die Ware Bildung
Zwei private Ausbildungsstätten - die eine seit gut einem Jahr rentabel, die andere gerade erst in höchster Not durch eine Millionen-Spende gerettet.
Und das hat mit Management nur am Rande zu tun.
Private Hochschulbildung ist grün. Rasen in der Mitte des Campus, drum herum stehen geputzte Gebäude mit viel Glas. Studenten sind kaum zu sehen. Konzentrierte Ruhe.
Auf den ersten Blick ähneln sie sich, die beiden Extreme auf dem deutschen Markt der privaten Hochschulen: die Internationale Fachhochschule Bad Honnef und die Jacobs University Bremen. Beide verkaufen Wissen, beide werden privat finanziert. Bad Honnef nahm im Jahr 2000 den Lehrbetrieb auf, Bremen nur ein Jahr später. In Bad Honnef studieren knapp 1400 junge Menschen, in Bremen sind es gut 1100.
Und doch unterscheiden sie sich in einer wichtigen Größe der Privatwirtschaft, den Finanzen. Bad Honnef arbeitet seit zwei Jahren mit Gewinn. Die Jacobs University konnte im Jahr 2006 nur durch eine 200-Millionen-Euro-Spende des Kaffeeunternehmers Klaus Jacobs vor der Pleite gerettet werden und kämpft noch immer um ein langfristig tragfähiges Finanzkonzept. Wer der Frage nachgeht, wie das kommen kann, der ist schnell weg vom Geld und beim Produkt: Bildung.
"Humboldt hätte gesagt: Ihr spinnt", sagt Peter Thuy, 47, Rektor der FH Bad Honnef. "Wir bedienen ein Nischenprodukt, ganz klar." Die Fachhochschule bietet Bachelor- und Master-Studiengänge in den Fächern Tourismus-, Hotel-, Luftverkehrs-, Transport- und Event-Management an. Also auf Berufsfeldern, die bislang kaum eine akademische Ausbildung kannten, deren Professionalisierung aber stetig wächst. "Unser Ziel ist es, die Nachfrage aus den Unternehmen zu bedienen und Nachwuchsführungskräfte auszubilden, die leicht in den Arbeitsmarkt finden", sagt Thuy. "Nobelpreisträger bekommen Sie hier nicht."
Thuy nennt das Prinzip der FH "Konzentration statt Verengung". Unterrichtet wird ausschließlich in englischer Sprache, das Curriculum ist straff. Es gilt Anwesenheitspflicht mit Kontrolle; es gibt nur wenige Fachbereiche, sodass ein breit angelegtes Studium nicht möglich ist. Wichtiger ist die Praxis: In einigen Fächern kooperiert die FH mit Unternehmen, etwa der Lufthansa, die Hochschüler schon während des Studiums für ein Semester in den Arbeitsalltag holt. Es gibt eine Lehrküche, die Studenten richten regelmäßig Gala-Dinners aus. Praxissemester, oft im Ausland, sind Standard. Die FH pflegt weltweit Beziehungen zu Spitzenhotels. "Die kleine Hotelbranche ist ein Reputationsgeschäft", sagt Thuy. "Da ist es wichtig, dass unsere Studenten an den richtigen Orten waren."
Mit Spezialisierung und Praxisbezug ist die FH Bad Honnef auch für Bewerber attraktiv: Jedes Jahr fragen 30 Prozent mehr an, als aufgenommen werden können; der Campus stößt an seine Kapazitätsgrenze. Marco Gerds, 28, hat nach seiner Hotellehre die Aufnahme geschafft. Jetzt steht er kurz vor dem Abschluss in Hotelmanagement. "Hier kriege ich die geballte Hotelbildung, ohne Ablenkung etwa durch allgemeine Tourismusaspekte", begründet Gerds seine Entscheidung für die FH. Er hat in Fallstudien für den ehemaligen Bonner Bundestag, der heute ein Konferenzzentrum ist, ein Gastronomiekonzept entwickelt. Aus dem ehemaligen Klub der US-amerikanischen Botschaft machte er ein Restaurant. "Klar möchte ich später Hoteldirektor werden", sagt Gerds. "Wer hier studiert, will Karriere machen."
Die FH bietet vor allem im Beruf direkt verwertbares Wissen. Um das zu erzeugen, braucht sie in sogenannten Buchwissenschaften wie etwa Management keine teure Forschung - der Etat liegt bei vergleichsweise bescheidenen rund zehn Millionen Euro pro Jahr. Der aktuelle Stand des Wissens, Rückmeldungen aus der Praxis und Nachdenken - das reicht. "Die Lehre lenkt die Forschung und die Industriekontakte", sagt Helmut Wachowiak, Bereichsleiter Tourismusmanagement. "Das Interessante finde ich ohnehin in der Praxis." So forscht Wachowiak über Geschäftsreisende, "nicht über die Reisen der alten Ägypter". Und er entschlüsselt das Reiseverhalten von Mallorca-Besuchern, denn Mallorca, sagt er, sei wie ein Laboratorium für den Tourismus.
So gesehen ist die FH Bad Honnef eine Art Blaupause für die private Bildungsstätte von morgen: "Kleine Fachhochschulen, die sich auf Buchwissenschaften wie Ökonomie, Marketing oder IT konzentrieren", beschreibt Wedig von Heyden, Generalsekretär des Wissenschaftsrates, der Bund und Länder bei der Hochschulentwicklung berät und private Hochschulen akkreditiert, das Modell private Hochschule. In den genannten Branchen treffen geringe Kosten bei der Bereitstellung des Produkts Bildung mit einem hohen künftigen Einkommen der Absolventen zusammen - von daher sind sie eher bereit, auch hohe Studiengebühren zu bezahlen.
Entsprechend strukturiert sich das Angebot. Und entsprechend lukrativ sind solche Privat-Unis für Investoren mit Rendite-Blick: Nach einem für die Branche ungewöhnlichen Bieter-Wettbewerb übernahm die Münchener Beteiligungsfirma Auctus im Sommer 2007 zusammen mit dem ehemaligen Software-Unternehmer Florian Schütz die Bad Honnefer FH. "Wir wollen Bildung betreiben wie jede andere Branche auch", sagt der Auctus-Geschäftsführer und Bildungsinvestor Ingo Krocke. "Mit Bad Honnef haben wir ein Plattformunternehmen für das weitere Wachstum gefunden."
Der Einstieg von Beteiligungsfirmen in den Bildungsmarkt signalisiert eine Zeitenwende. Heute lernen rund 55 000 Studierende in Deutschland an Privathochschulen, knapp vier Prozent aller Studenten. Von 360 deutschen Hochschulen sind derzeit 87 in privater Hand (die in kirchlicher Trägerschaft ausgenommen). Seit zwei Jahren aber, so von Heyden, gebe es einen sprunghaften Anstieg. Aus vier bis sechs Anträgen pro Jahr seien 18 bis 20 geworden. Dabei stellt Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) in Berlin, eine zunehmende Diversifizierung fest. Management werde auf verschiedene Branchen hin spezifiziert. "Diese Spezialisierung hat aus Sicht des Anbieters durchaus Sinn", sagt Dohmen. "Sie dient dem Branding, man baut sich seine Nischen. So lassen sich Studenten besser akquirieren. Und wenn eine Nische nicht mehr trägt, kann man schnell eine neue auftun."
Oder expandieren: Krocke und Schütz wollen die FH Bad Honnef auf 1650 Studierende ausbauen und bald einen zweiten Standort in Bad Reichenhall eröffnen. Weitere Zukäufe sind geplant, im Fokus bleiben praxisnahe Fachausbildungen, zugeschnitten auf den Arbeitsmarkt. Das Ziel: eine effektive Holding, in der Funktionen wie Marketing, Lehrplanung, Verwaltung und Finanzierung zentral gebündelt werden - also Synergieeffekte.
Die Investoren kopieren das Prinzip, dem Auctus auch bei ihren traditionellen Beteiligungen, etwa in der Chemiebranche, im Maschinenbau oder in der Zeitarbeit, folgt. "Wir suchen zersplitterte Dienstleistungsmärkte mit Konsolidierungstendenz, in denen größere Einheiten möglich werden", sagt Krocke. Seit 2005 beobachtet Auctus den privaten Bildungsmarkt in Deutschland, der bei einem zweistelligen Milliardenumsatz von kleinen Anbietern dominiert wird; solche mit einem Umsatz von zehn Millionen Euro sind schon groß. "Und Bildung ist eine tolle Branche, weil sie nicht so stark von der Konjunktur abhängt", sagt Krocke. "Wenn sich ein Student einmal eingeschrieben hat, bleibt er auch für mindestens sechs Semester."
Künftige Renditen bis zu zehn Prozent gelten in der Branche als realistisch, die Claims werden jetzt abgesteckt. So übernahm etwa Educationtrend, eine Tochter der Beteiligungsgesellschaft Aton, ebenfalls im Sommer 2007 die beinahe konkursreife International University Bruchsal und die Hanse-Uni Rostock, ebenfalls mit dem Ziel, einen Verbund zu bilden. Um die FH Bad Honnef buhlte auch Laureate Education, mit 23 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar der viertgrößte Bildungsanbieter weltweit. Private Bildung wird zu einem internationalen Geschäft.
Es ist nun an Florian Schütz, dafür die Grundlagen zu schaffen. Der 37-jährige schlanke Mann ist der neue Präsident der Fachhochschule Bad Honnef. Sein Hauptziel: "Wachstum statt Rationalisierung." So wird Bad Honnef zum Labor des künftigen Auctus-Bildungsverbundes.
Als kritische Größe für einen Standort, wie Schütz ihn betreibt, gilt eine Studierendenzahl von 600. Dann lässt sich der Betrieb über Studiengebühren mit Gewinn finanzieren. Doch Schütz will mehr, viel mehr Studenten, "die über ihre Gebühren mehr einbringen, als wir jemals über Firmenspenden einwerben könnten". Deshalb will er verstärkt Master-Studiengänge anbieten und denkt über neue Fächer in Geschäftsfeldern nach, die zwar wachsen, in denen es jedoch noch wenige Akademiker gibt. "Wirtschaftsprüfung und Steuern" zum Beispiel, denn ein solcher Studiengang wäre unabhängig von der Konjunktur: "Wenn's in der Wirtschaft schlecht läuft, wird viel geprüft, und wenn's gut läuft, sowieso."
Neue zahlende Kunden lassen sich auch im Ausland akquirieren. Über Bildungsagenten sucht Schütz nach Studenten in Osteuropa und der Türkei, mittelfristig auch in Asien. Noch kommt nur jeder zehnte seiner Studenten aus dem Ausland; Schütz will ihren Anteil verdoppeln, auch durch mehr Stipendien. Vor zwei Jahren bekamen nur zwei Studenten der FH Bad Honnef Studienkredite, heute sind es rund 100. "Wir denken zudem über einen Bildungsfonds nach", sagt Schütz. "Man könnte es auch so machen, dass Studenten nur die halbe Studiengebühr zahlen, dafür aber doppelt so lange. Oder sie zahlen später einen bestimmten Prozentsatz ihres Einkommens zurück. Wir wollen auf jeden Fall hinein in andere finanzielle Schichten. Stipendiaten sind im Beruf oft besonders erfolgreich. Das sorgt später für die Mund-zu-Mund-Propaganda."
Florian Schütz lässt keinen Zweifel daran: Bildung wird zunehmend zu einem echten Markt. "Bislang war dieser Markt sehr begrenzt", sagt Bildungsökonom Dieter Dohmen vom FiBS. "Das verschiebt sich. Die Diskussion über Gebühren an staatlichen Hochschulen hat sich ausgewirkt. Bildung gewinnt an Wert, die Zahlungsbereitschaft wächst." Und damit wachsen auch die Gewinnmöglichkeiten der Anbieter. Zugleich sind ihre Chancen schlicht eine Frage der Mathematik. Dohmen hat die Lücke berechnet, in die private Bildungsanbieter in Deutschland vorstoßen können: Für bald 500 000 Studienberechtigte stehen lediglich 375 000 Plätze an staatlichen Hochschulen zur Verfügung. "Fehlen 125 000", konstatiert Dohmen. "Unbefriedigende Bildungspolitik wird zur besten Förderung für private Anbieter."
Übrigens ist nicht gesagt, dass ein fokussiertes Bildungsangebot auch gleich ein schlechtes Angebot sein muss: Die FH Bad Honnef wird in der Branche anerkannt, die Absolventen sind begehrt. Aber es gibt einen Spielraum zwischen Bildung und Ausbildung. "Da liegen wir etwa in der Mitte", stellt Rektor Peter Thuy fest, "mit einem Drall zur Industrie."
Das Ziel in Bremen: Weltbürger ausbilden
Genau darin liegt ein Unterschied zur Jacobs University - und ein Grund, warum die Bremer Hochschule im Gegensatz zur FH in Bad Honnef mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. "Die Bremer bieten die größte inhaltliche Vielfalt, die wir in Deutschland bei privaten Hochschulen haben", sagt Wedig von Heyden vom Wissenschaftsrat. "Das ist bemerkenswert."
Stellt man sich den Bildungsmarkt wie einen Hafen vor, liegt die Jacobs University Bremen wie ein Containerschiff neben dem schlanken Klipper Bad Honnef. Die Bremer bieten 20 Bachelor-Studiengänge an, 15 Master-Gänge und diverse Promotionswege. Und das eben nicht im Management, sondern in Chemie, Physik, Mathematik, Elektrotechnik, Mariner Mikrobiologie - zwei Drittel des Angebots sind teure Natur- und Ingenieurswissenschaften, ein Drittel nehmen Geistes- und Sozialwissenschaften ein. Hinzu kommt das Jacobs Center on Lifelong Learning - dort befassen sich Wissenschaftler aus sieben verschiedenen Disziplinen mit den Folgen der alternden Gesellschaft.
Rein berufsbezogen verwertbares Wissen sieht anders aus. Und so unterscheidet sich auch das Ziel. "Wir wollen Weltbürger ausbilden", sagt Universitätspräsident Joachim Treusch, 67. "Sich nur auf einen Markt auszurichten hat keinen Sinn. Der Markt ändert sich viel zu schnell. Wir schauen vielmehr: Was sind die Probleme in der Welt? Wie können wir Lösungen anbieten? Dafür muss jeder Absolvent mehr verstehen als nur sein Fach."
Große Worte, denen die komplett englischsprachige Jacobs University Taten folgen lässt. Die Hochschule ist ausdrücklich Lehr- und Forschungsuniversität, das treibt den Personalschlüssel nach oben. Auf 1100 Studierende kommen 100 Professoren - in Bad Honnef kümmern sich 28 Professoren um 1400 Studenten. Die Bremer Hochschüler müssen sich erst nach einem Jahr auf ihre Hauptfächer festlegen. Bis dahin sollen sie auch Themen kennenlernen, von denen sie bislang nichts wussten. So hört der Elektrotechniker auch Vorlesungen über chinesische Literatur.
Forschung und fachübergreifende Lehre - das klingt nach dem Humboldt'schen Bildungsideal. Die Bremer nennen das Transdisziplinarität und leisten sich deshalb sogenannte University Study Courses. Jeder Student muss pro Jahr einen solchen fachübergreifenden Kurs besuchen, gehalten von mindestens zwei Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen. "Mind, Brain and Body" etwa - für den Neurowissenschaftler Claus C. Hilgetag ist dieses doch eher allgemeine Thema keine lästige Pflicht. "Lehre ist ein Teil dessen, was einen Professor ausmacht. Sie wirkt doch ungemein befruchtend, da lerne ich noch was. Als Neurowissenschaftler muss ich weit schauen. Und es gibt mir ein tolles Gefühl, wenn ich Menschen helfen kann, zu verstehen."
Weil es solche vorbereitungsintensiven Kurse gibt, kann die Jacobs University nicht mit weniger Personal arbeiten. Auch weil jeder Professor im Schnitt für zehn Studenten als Berater zuständig ist; weil Lehre und Hilfe mitunter nur zwei Tage Forschung in der Woche zulassen.
Die Universität leistet es sich, dort zu forschen, wo nicht sofort industriell verwertbares Wissen zu erwarten ist. Hilgetag beschäftigt sich mit der Frage, wie verschiedene Hirnareale miteinander kommunizieren. Das kauft einem so schnell keine Firma ab. Trotzdem braucht Hilgetag seine Labore, genau wie die Zellbiologen, die den Proteintransport in Säugerzellen untersuchen. Die Uni-Labore haben etliche Millionen Euro verschlungen, und jeder Forscher der Lebenswissenschaften benötigt pro Jahr Materialien wie Pipetten und Kolben im Wert von rund 15 000 Euro.
Am Ende steht ein Jahresetat von mehr als 40 Millionen Euro, von dem die Jacobs University nur rund die Hälfte selbst erwirtschaften kann. Eigentlich müsste sie längst pleite sein.
Diese Gefahr begleitet die Hochschule von Beginn an. Angestoßen mit einer 116-Millionen-Euro-Spritze vom Land Bremen, sollte die "International University Bremen" eigentlich Spenden sammeln, um einen Kapitalstock von 250 Millionen Euro aufzubauen, um dann von den Zinsen zu leben. Doch bis heute sind es nur 80 Millionen, was lediglich Zinsen von fünf Millionen Euro ergibt. Die Studiengebühren betragen zwar inzwischen 18 000 Euro pro Jahr - doch nur rund jeder zehnte Student zahlt den vollen Satz; so kommen nur weitere sechs Millionen Euro zusammen. Die eingeworbenen Drittmittel betrugen zuletzt ebenfalls sechs Millionen Euro. Hinzu kommen Kleinspenden und einige Stiftungslehrstühle von Unternehmen. Eigentlich ein Desaster.
"Es ist ein Ritt übers Eis", gibt Uni-Präsident Joachim Treusch zu, "aber ich habe keine Angst. Harvard, Yale und Stanford haben auch klein angefangen. In den ersten Jahren geht es darum, Qualität zu beweisen, mit Geldnot zu kämpfen, standhaft zu bleiben. Das ist einfach immer so."
Treusch wirkt wie ein gut gelaunter Bulldozer, den nichts so schnell umhauen kann. Und tatsächlich sind die Bremer mal wieder ein Beweis dafür, dass Zuversicht hilft. Gerade als die Uni unterzugehen drohte, trat der umtriebige Treusch im Jahr 2006 seinen Präsidentenposten an und brachte die größte Spende mit, die eine deutsche Hochschule bis dahin bekommen hatte: 200 Millionen Euro, aus der Stiftung des Kaffeemagnaten Klaus Jacobs. "Dieses Geld hätten wir nie bekommen, wenn die Uni nicht wäre, wie sie ist", sagt Treusch. "Wir hatten uns vorher nicht zu Tode gespart, sondern das Geld risikofreudig ausgegeben, für die Universität und ihr Angebot."
Die Jacobs-Spende brachte der Universität einen neuen Namen und die finanzielle Wende - wenn auch nicht die endgültige Lösung. Bis 2011 gibt es jährliche Tranchen, die weitgehend das Defizit decken. Den dicksten Batzen aber, 125 Millionen Euro, gibt es erst, wenn die Universität ihre Haushaltssituation eigenständig verbessert: mehr Einnahmen aus Studiengebühren, Verdopplung der Drittmittel auf zwölf Millionen Euro, Wachstum des Kapitalstocks. "Wir müssen auf eigenen Füßen stehen und einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen", sagt Treusch.
Die Kosten mit den Einnahmen in Einklang bringen - das gilt beim Produkt Bildung wie bei jeder anderen Ware. Wie viel leichter hat es da die Fachhochschule Bad Honnef. Die Kosten sind niedrig, und dank ihres wirtschaftsnahen Fokus fanden sich von Anfang an genug Studierende, die die Gebühren von nunmehr 8400 Euro pro Jahr zahlen. Nur sechs Prozent aller Studenten erhalten Stipendien, bis heute melden sich kaum genug Bewerber dafür. Die FH finanziert sich somit fast vollständig aus Studiengebühren, Dienstleistungen bringen zusätzlichen Ertrag. So vermietet die FH 205 Wohnplätze für monatlich 420 bis 470 Euro; jeder Bewerber zahlt 285 Euro für den Aufnahmetest, unabhängig davon, ob er ihn besteht. Die FH betreibt über eine Tochtergesellschaft ein öffentliches Restaurant, in dem jedermann Bärlauchsüppchen und gegrillte Krebsschwänze essen kann. All das bringt so viel ein, dass Firmenspenden oder Stiftungslehrstühle überflüssig sind.
Die Fachhochschule als Wirtschaftsunternehmen: In Bad Honnef klappt das hervorragend. Doch dieser Weg ist den Bremern versperrt, eben weil sie mit ihrer gemeinnützigen Hochschule kein Wirtschaftsunternehmen betreiben. Zwar kostet ein Zimmer mit Verpflegung bald 600 statt 440 Euro monatlich, und in einem neuen College sollen 200 zusätzliche Studenten für frisches Geld sorgen. Aber Treusch will eisern bleiben bei den Grundsätzen, auch wenn er dabei Geld verliert. Etwa bei den Länderquoten: An der Jacobs University dürfen maximal 25 Prozent Deutsche studieren, für jedes andere Land gilt die 15-Prozent-Grenze; inzwischen sind junge Menschen aus 91 Nationen eingeschrieben. Ließe Treusch mehr Deutsche zu, bekäme er mehr Studenten aus wohlhabendem Haus, die keine Stipendien bräuchten. So bedeutet jeder Nepalese mehr automatisch weniger Geld in der Kasse. Aber, so Treusch: "Die Internationalität ist unser Alleinstellungsmerkmal." Und am "Need-Blind"-Verfahren will er schon gar nicht rütteln, wonach jede Bewerbung unabhängig von den Einkommensverhältnissen geprüft wird. Nur die Besten kommen durch und erhalten danach, wenn nötig, ein Stipendium, bezahlt aus dem Haushalt der Universität - allein das kostet jährlich rund acht Millionen Euro.
Für Treusch hat diese Sturheit betriebswirtschaftlich Sinn. Für ihn ist klar: Eine Universität wie seine kann sich niemals allein über Gebühren rechnen. Vergleichbare Hochschulen finanzieren sich vor allem über die Spenden ehemaliger Absolventen und die Gewinne aus einem klug gemanagten Kapitalstock. Deshalb braucht Treusch die besten Studenten, die später auch die besten Absolventen werden und hohe Einkommen erzielen - damit sie etwas zurückgeben können. Die besten Studenten sind aber nicht immer diejenigen, die schon heute ihr Studium bezahlen können. "Wir müssen die Intelligenzreserve des Mittelstands kriegen", sagt Treusch, "und beim Rennen um die besten Köpfe spielen auch Stipendien eine Rolle." In diesem Wettbewerb will sich die Universität noch stärker um die Rekrutierung in Asien kümmern, in Wachstumsregionen, wo die Rückkehrer in einigen Jahren beträchtliche Vermögen anhäufen dürften - so wird ein Wachstumsmarkt zum Fördermarkt einer privaten Universität.
Auch wegen des Kapitalstocks denkt Treusch nicht daran, an Angebot oder Politik der Universität etwas zu ändern. Denn eine Universität ohne Profil dürfte kaum ein Unternehmen oder einen Privatier dazu verführen, ihr sein Geld zu geben. "Ohne Großspenden geht es nicht, aber dabei denken wir in Dekaden", umreißt Treusch den Finanzhorizont. "Wir müssen auf das eigene Pferd vertrauen und einfach immer weiterreiten."
Kooperation als beinahe sexuelles Erlebnis
Damit sich die Jacobs University nicht vergaloppiert, feilt sie an ihrem Forschungsprofil. In den Jahren des Aufbaus konnten die Professoren weitgehend unbehelligt forschen - Kooperationen waren eine recht individuelle Sache. Doch die Hochschule ist zu klein, um so zur weltweiten Spitzenuni zu werden. Künftig werden sich die Professoren auf die fünf großen Fragenkomplexe der Zukunft konzentrieren, etwa Bio-Geo-Marine Ressourcen oder die Modellierung komplexer Systeme. Das sind Themen, an denen auch andere Unis der Region arbeiten. "Wir docken uns an, weil wir ressourcenschonend arbeiten müssen", sagt Treusch.
Im ersten Schritt sitzen nun überall an der Universität die Professoren zusammen und suchen nach Überlappungen ihrer Arbeit, die zu den neuen Schwerpunkten passen. Am Ende werden 13 Research-Center stehen, in denen sich die Wissenschaftler organisieren. "Im Lande Humboldts ist solch eine Fokussierung nicht trivial", meint Treusch. "Deshalb gibt die Uni-Leitung auch keine Details vor, sondern nur die grobe Richtung." Danach wollen die Zellbiologen mit ihren Säugerzellen sich mit Proteinforschern vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut zusammentun, die mit Flundern und Seezungen arbeiten. Der Neurowissenschaftler Claus C. Hilgetag rauft sich gerade mit Informatikern und Technikern zusammen. Stärken herausfinden - für Hilgetag ist das ein beinahe sinnliches Erlebnis: "Gemeinsame Projekte sind doch wie Sex für einen Wissenschaftler."
All das weist weit in die Zukunft - jetzt kommt es darauf an, sie zu erreichen. Die finanzielle Brücke sollen verstärkte Kooperationen mit der Wirtschaft bilden. Am Jacobs Center on Lifelong Learning ( JC LL) beraten die Wissenschaftler von jeher Unternehmen beim Training und bei der Organisation von alternden Belegschaften, erabeiten Studien für Verbände, lehren Personalverantwortliche den Umgang mit grauhaarigen Arbeitern. "Wir generieren Einkommen", sagt JCLL-Chefin Ursula Staudinger, "ziemlich genau ein Drittel unseres Budgets." Für die Psychologin ist an einem so engen Kontakt kein Makel. "Wir betreiben keine Wissenschaftsprostitution. Die Ergebnisse fließen in Promotionen ein. Wir lassen Wissen nicht vergammeln. Und wer die Denke der Unternehmen versteht, gewinnt auch Freiheitsgrade."
Grundsätzlich ist bei Auftragsarbeiten an der Jacobs University alles erlaubt - solange die Universität die Ergebnisse auch publizieren darf. Das bedeutet wieder einmal Einnahmeverzicht, sorgt aber für Profilbildung. Und weil das so ist, soll das JC LL-Beispiel Nachahmer finden. Verhaltenswissenschaftler öffnen ihre Labore für die Weiterbildung von Führungskräften. Seit September 2007 läuft der neue Studiengang "International Logistics", entworfen mithilfe von Bremer Logistikunternehmen. Aus dem ursprünglich geplanten Master-Studium wurde so ein Bachelor, weil die Absolventen dann jünger sind. Statt zwei Monate beträgt das Praktikum nun sechs Monate. Wirtschaftswissenschaften spielen eine große Rolle, und Deutschlernen ist Pflicht. Im Gegenzug spendierten die Unternehmen zwei Stiftungsprofessuren und sieben Vollstipendien. Steinchen für Steinchen schichtet Treusch das finanzielle Fundament der Jacobs University auf. "In fünf Jahren werden wir wissen, ob wir überleben."
Für die Fachhochschule Bad Honnef hingegen ist die Überlebensfrage längst beantwortet. Dort beginnt nun Phase zwei: der Ausbau des erfolgreichen Prinzips zu einem schlagkräftigen Verbund, der sich ein noch größeres Stück aus dem deutschen Bildungskuchen herausbeißen kann. -
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