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brand eins, Oktober 2010                                                                                                  zurück zur Übersicht

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Zahlen sich Investitionen in guten Service für Unternehmen aus? Nicht unbedingt. Aber sie können trotzdem sehr lohnend sein, wie diese Beispiele zeigen.

"Tanken mit einem Lächeln." Toller Slogan. Was haben sie gelacht, die Konkurrenten, als Shell im Jahr 2005 Tankwarte in Uniform an ein paar Stationen stellte. Denn wer lässt sich schon den Tank befüllen und zahlt noch dafür - in Deutschland, wo das Auto die heilige Kuh ist, an die man niemanden heranlässt? Wo die Leute auf der Suche nach einer billigen Tankstelle so viel Sprit verfahren, dass sie am Ende draufzahlen. Eine Schnapsidee, da waren sie sich einig.

Fünf Jahre später bieten 1000 von rund 2200 Shell-Tankstellen hierzulande diesen Service an. Der Tankwart putzt auch die Windschutzscheibe, füllt Öl und Wischwasser nach. Pro Monat nutzen mehr als 900 000 Kunden diese Dienstleistungen - und rund 85 Prozent von ihnen zahlen dafür einen Euro. Schön für Shell an den Service-Tankstellen verkauft der Konzern vier Prozent mehr vom besonders teuren Kraftstoff V-Power, bei Motorenöl und Wischwasserzusätzen sind es jeweils 30 Prozent. Das lohnt sich, und hinzu kommt der Image-Gewinn.

Dieser Service kommt an: Autofahrer lassen sich offenbar gern lästige Arbeit abnehmen. Aber warum gibt es in deutschen Supermärkten keine Tütenpacker? Der Stress an den Kassen ist enorm. Der US-Konzern Wal-Mart hat es hierzulande mit außergewöhnlichem Service versucht - und ist grandios gescheitert.

Mit Antworten auf die Frage, wann es sich für Unternehmen auszahlt, in Service zu investieren, tun sich auch Fachleute schwer. Florian Bauer ist Vorstand des Marktforschungsunternehmens Vocatus, Kundenservice ist sein Thema. Ob eine Dienstleistung angenommen werde, hänge unter anderem von kulturellen Prägungen ab. "Tankwart", sinniert Bauer, "das klappt vielleicht, weil die Leute ihn von früher kennen. Tütenpacker gab es hingegen noch nie in Deutschland. Da fehlt die Erfahrung, und irgendwie fühlt man sich wohl auch beschämt, wenn man nicht mal selbst einpackt." Generell gelte, so Bauer: Die Akzeptanz völlig neuer Services sei kaum vorherzusagen.

Das liege auch daran, dass Dienstleistungen auf einer wechselseitigen Beziehung beruhten - auch der Kunde müsse etwas geben, sagt Sabine Fließ, Professorin für Dienstleistungsmanagement an der Fernuniversität Hagen. Beim Friseur müsse er seinen Kopf hinhalten, beim Tanken sein Auto zur Verfügung stellen, beim Aufräumservice seine Wohnung. "Eine Dienstleistung greift hinein ins Privatleben. Und je tiefer sie eindringt, umso unsicherer wird der Kunde, ob er den Service wirklich zulässt."

Hinzu komme, dass der Kunde den Nutzen, den ihm ein Dienstleister verspricht, auch als solchen wahrnehmen müsse, so Fließ. "Aber was ist sein Motiv? Geht es um Hedonismus, Zeitersparnis, Sicherheit? Das lässt sich im Grunde nur über Versuch und Irrtum herausfinden. Entsprechend hoch ist die Flop-Rate bei Services." Zumal es mit der Zahlungsbereitschaft hapere: "Die Leute zahlen lieber für etwas, das sie sehen oder anfassen können. Oft fehlt ihnen das Bewusstsein dafür, dass ein Dienst eine Leistung ist."

Am Ende bleibt die Investition in Service für Unternehmen eine strategische Entscheidung - und klug ist, wer dabei nicht ausschließlich an den Kundennutzen denkt. Denn: "Wer guten Service bietet", sagt Florian Bauer, "verbessert damit auch immer die Situation seines Unternehmens."

Und was bringt die Mühe? Zum Beispiel:

Kompetenz

Andreas Rippberger, zuständig für die Unternehmensentwicklung beim Motorenhersteller Hatz in Ruhstorf an der Rott, beschreibt die dramatische Lage seiner Firma ganz offen: "Irgendwann haben wir gemerkt, dass die Unterschiede zu den Konkurrenten verschwanden und die Kunden mehr auf den Preis als auf die Qualität schauten. Dann schlug 2008 die Wirtschaftskrise zu - es ging freifliegend nach unten." Hatz fertigt seit mehr als hundert Jahren kleinere Dieselmotoren, Wasserpumpen, Stromaggregate. "Wir mussten etwas tun", sagt Rippberger. "Mit etwa 70 000 Motoren im Jahr waren wir zu groß, um ein Nischenspezialist zu sein, und zu klein, um als Massenhersteller unser Glück zu versuchen." Deshalb setzt die Firma seit zwei Jahren auf Dienstleistungen rund um ihre Dieselmotoren.

"Motoren konzipiert und gebaut haben wir immer", sagt Rippberger, "nun beraten wir auch schon während der Planung der Anlage, in die unser Motor eingesetzt werden soll. Wir kümmern uns zudem um die Wartung. Und in Zukunft wollen wir die Anlage vielleicht auch betreiben. Denn wer eine Pumpe braucht, will ja eigentlich zum Beispiel Wasser von A nach B befördern. Wie das gelingt, ist ihm egal. Früher haben wir 100 Pumpen nach Afrika verkauft, und das war's dann. Motor raus, Geld rein, Kunde erst einmal weg. Durch den Service bekommen wir nun nach dem Verkauf regelmäßig weitere Aufträge. Nach einem halben Jahr die Wartung, dann braucht es ein Ersatzteil, später bauen wir die Pumpstation vielleicht noch aus."

Dank der Dienstleistungen rund ums Produkt unterscheidet sich Hatz von der Konkurrenz und macht einen schönen Extraprofit: Im Motorengeschäft pendelt die Umsatzrendite um die sieben Prozent - beim Service können es auch 25 Prozent sein. Ein Vorteil im Geschäft zwischen Unternehmen: Die Kunden entscheiden eher rational über Serviceangebote. "Wir können den Nutzen vorrechnen", sagt Rippberger. Seit man auf Dienstleistungen setzt, floriert die Firma.

Doch langfristig wichtiger als die nackten Zahlen ist der Zugewinn an Kompetenzen. Ingenieure haben gelernt, aus Motoren und Pumpen ganze Anlagen zu konstruieren. Andere wechselten in den Vertrieb, müssen nun mit Kunden umgehen. Vertriebler wiederum sehen nicht nur die reinen Absatzzahlen, sondern arbeiten mit an individuellen Lösungen für die Kunden.

Das war das Ende des Abteilungsdenkens und notwendig für die Neuorientierung. Nebenbei haben die Mitarbeiter gelernt, was sie eigentlich können. Monatelang haben sie in den Niederlassungen nach markttauglichen Einzellösungen gesucht, die das Unternehmen irgendwann einmal angeboten hat - um daraus komplette Serviceangebote zu stricken. "Dabei haben wir interessante Nischen entdeckt", sagt Rippberger. "Hilfsgeneratoren für Lokomotiven etwa oder Bauboote für Baustellen am Wasser. Da sind wir kompetent und können aktiv Services anbieten. So wachsen wir immer weiter hinein."

Hatz ist ein Beispiel von vielen. Gerade im Maschinenbau ist mit der Entdeckung des Servicegedankens eine große Umwäl zung in Gang gesetzt worden. Im Jahr 2008 gaben Unternehmen in Deutschland laut einer Roland-Berger-Studie 29 Milliarden Euro für Industrieservices aus, die Berater rechnen mit einer Steigerung von jährlich rund vier Prozent. Externe Dienstleister reduzieren Kosten und Komplexität - so das Kalkül der Nutzer.

"Und die Anbieter machen das nicht mehr nur so nebenher", sagt der Roland-Berger-Partner Guido Hertel. "Auch wenn sie eigentlich Produkthersteller sind, haben sie oft eigene Serviceabteilungen aufgebaut. Services werden professioneller, und gerade wenn solche Anbieter technische Anlagen nicht nur warten, sondern auch eng in den Betrieb eingebunden werden, können sie Kompetenzen aufbauen, die ihnen dann im Kerngeschäft nützen."

Maschinenbauer haben sich nicht zuletzt deshalb als Dienstleister profiliert, weil der Preisdruck sie dazu gezwungen hat. In anderen Branchen gibt es keinen derartigen Zwang - und trotzdem Unternehmen, die in Service investieren. Freiwillig.

Warum sollte man das tun? Weil Vorteile entstehen können, die vorher nicht absehbar sind. Zum Beispiel:

Weniger Aufwand

Als der Flughafen Hamburg im Jahr 2006 seine Taxioffensive startete, reagierte man auf die Beschwerden von Reisenden. "Die Taxis waren dreckig, viele Fahrer konnten kaum Deutsch - und wenn ein Gast eine Kurzstrecke buchte, wurde er manchmal unter fadenscheinigen Gründen rausgeschmissen", erinnert sich Thomas Immelmann. Er leitet das Center Management am Flughafen, und damals legte er sich mit den Taxiunternehmen an. "Taxiqualität ist nicht unbedingt unser Kerngeschäft, aber das kümmert ja keinen Fluggast. Also mussten wir etwas tun."

Dabei wird sicher kaum jemand einen Airport meiden, nur weil der Taxiservice dort schlecht ist. Und ob Droschkenfahrer Geld verdienen, kann dem Flughafenbetreiber eigentlich auch egal sein. Immelmann sieht das anders: "Unsere Qualitätsstandards müssen für den ganzen Flughafen gelten."

Er setzte den Taxiunternehmen die Pistole auf die Brust: Nur wer eine gewisse Qualität garantiert, darf am Flughafen auf Fahrgäste warten. Wer eine Schrottkarre fährt, sich in Hamburg nicht auskennt oder kein Deutsch spricht, ist raus aus dem Geschäft. Jede Kurzstrecke ist selbstverständlich zu akzeptieren, und der Fahrgast muss mit Karte zahlen können.

Die Wirkung war unmittelbar - für die Taxifahrer. Sie verbuchten ein Drittel mehr Fahrten, und selbst die neue S-Bahn tat ihrem Geschäft kaum Abbruch. Mehr Passagiere am Airport gab es deswegen natürlich nicht.

Gut "zwei Mann-Jahre" habe der Flughafen in die Umsetzung der Taxioffensive gesteckt, rechnet Immelmann vor. Hinzu kommen Investitionen für Englischunterricht, Fahrertoiletten und Bildschirme. Plus ständige Reinigungskosten für den neuen "Taxispeicher". Immelmann sagt: "Obwohl die Taxen für diesen Service zahlen, legen wir pro Jahr bis zu 150 000 Euro drauf." Doch für ihn geht die Rechnung trotzdem auf. "Auf den ersten Blick ist das natürlich nicht profitabel" sagt er, "aber man muss das Ganze verstehen. Weil wir investiert haben, verdienen wir nun am reibungslosen Ablauf am Flughafen. Jetzt streiten sich in der Taxizone keine Fahrer mehr mit den Passagieren herum und blockieren die Zufahrt. Also muss ich keinen Sicherheitsmann dort hinschicken - das spart Personalkosten. Und ich habe weniger Aufwand für das Beschwerdemanagement - einfach weil weniger Beschwerden eingehen. Früher hat uns das jährlich einen sechsstelligen Betrag gekostet."

Das konnte Immelmann nicht voraussehen, als er die Taxioffensive begann. "Aber mit reiner Kostenlehre kommt man nicht weiter. Schon gar nicht, wenn man über Dienstleistungen entscheiden soll. Man muss selbst ein Gespür dafür haben, was richtig ist."

Das Hamburger Beispiel widerlegt ein gängiges Vorurteil: dass sich Dienstleistungen, die keine direkten Erträge erbringen, nicht lohnen. Denn vom Dienst am Kunden profitiert immer auch der Dienende, weil der Kunde mehr zu bieten hat als nur sein Geld. Zum Beispiel:

Wissen

"Warum kriege ich diese wolkenartigen Flecken nicht aus dem Frotteehandtuch?" Das sei eine gute Frage, findet Regina Kind, Leiterin der Verbraucherberatung Wasch- und Reinigungsmittel bei Henkel. Und zwar deshalb, weil sie darauf zunächst keine Antwort wusste.

Fragen wie diese erreichen Henkel jeden Tag über eine kostenlose Hotline, per Brief oder E-Mail. Rund 100 000 Kundenkontakte verzeichnet die Verbraucherberatung jedes Jahr. Henkel betreibt dafür beachtlichen Aufwand mit IT und 15 Angestellten, die nichts anderes tun, als möglichst innerhalb von 24 Stunden die Probleme der Kunden zu lösen.

Die Servicemitarbeiter sind überwiegend ehemalige Laboranten, sie kommen aus der Produktentwicklung - "Chemiekenntnisse oder eine hauswirtschaftliche Ausbildung sind wichtige Voraussetzungen", sagt Kind. Qualifizierte Leute also, die man nicht mit einem Niedriglohn abspeisen kann. Sie kümmern sich um Antworten auf die Fragen der Kunden - wenn es sein muss, auch mit Unterstützung der entsprechenden Spezialisten im Konzern.

Warum tut Henkel das?

"Weil beide Seiten davon profitieren", sagt Kind. "Das Problem des Verbrauchers wird gelöst - das stärkt sein Vertrauen in Henkel. Genauso wichtig ist aber: Wir erhalten Informationen und sammeln Wissen. Durch den direkten Kontakt mit den Kunden erfahren wir mehr über Bedürfnisse und offene Wünsche. Das ist Marktforschung."

So erhält man Antworten auf Fragen, auf die man selbst gar nicht gekommen wäre. Wie bei den Wolkenflecken auf dem Handtuch. "Wir fanden heraus, dass es an bestimmten Inhaltsstoffen moderner Kosmetikprodukte liegt", sagt Kind. "Wir haben uns intensiv damit beschäftigt und dadurch etwas über neue Flecken gelernt - und das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir unsere Waschmittel weiterentwickeln können. Solche Beispiele gibt es viele."

Dem Unternehmen ist das Wissen seiner Kunden so wichtig, dass der Service regelmäßig Statistiken an Entwicklung und Marketing weitergibt, selbst Gesprächsprotokolle werden wörtlich übermittelt, denn auch aus der Beschreibung eines Fleckes, sagt Kind, könne man etwas für die Vermarktung lernen. Das Unternehmen saugt solche Informationen förmlich auf - mithilfe einer eigenen Verbraucher-Homepage und einem webgestützten Ratgeber, der sogar eine Antwort gibt auf die Frage, warum eine Knoblauchpresse aus Aluminium im Geschirrspüler dunkel anläuft.

Das Kalkül: Wer sich kompetent präsentiert, gewinnt Vertrauen und treibt das Frage-Antwort-Spiel immer weiter. "So häufen wir einen Wissensschatz an", meint Regina Kind, "der uns sehr wichtig und nicht zu bezahlen ist."

Nun kann ein Konzern sich einen solchen Aufwand leisten. Kleineren Unternehmen dürfte es schwerfallen, diesem Beispiel zu folgen - so lautet zumindest die landläufige Meinung. "Dienstleistungen gelten in Deutschland oft als unproduktiv", sagt Matthias Gouthier, Professor für Dienstleistungsmarketing an der European Business School in Oestrich-Winkel, "als eine Art Reparaturbetrieb für begangene Fehler."

Wer so denkt, ist geradezu gezwungen, seine Dienstleistungsqualität niedrig zu halten, um insgesamt produktiv zu bleiben. Nur ist genau das zu kurz gedacht. Warum? Mit einer hochwertigen Dienstleistung gewinnt man nicht nur zufriedene Kunden, sondern auch:

Produktivität

Die Münchener Software-Firma Qaware ist eine kleine Firma mit 25 Mitarbeitern. Vor knapp zwei Jahren waren es noch acht bevor man sich vom reinen Beratungsunternehmen zum Soft-ware-Haus mauserte, das Programme auch selbst entwickelt und betreut.

Nach der Erweiterung des Geschäftes stand der Neuling vor der Frage, wie er auf dem Markt auftreten sollte. Mit niedrigen Preisen, um Kunden anzulocken? Die Münchener machten es genau andersrum. "Unsere Stundensätze sind vergleichsweise hoch, aber ihr Geld wert", sagt Josef Adersberger, Unternehmensgründer und Mitglied der Geschäftsleitung von Qaware.

Denn die Firma investiert in Qualität. Vier Prozent vom Umsatz fließen in die Fortbildung der Mitarbeiter, vier Prozent geben sie für Forschung und Entwicklung aus. Sie beschäftigen keine Billigprogrammierer in Übersee, obwohl die nur halb so teuer wären. Es gibt eine Kita im Haus und eine subventionierte Kantine. "Und wir planen ganz bewusst Pausen ein für unsere Kollegen", sagt Adersberger. "Sie müssen entspannen können. Auch deshalb lehnen wir Projekte ab, die zu knapp auf Kante genäht sind."

All das treibt die Kosten und damit die Preise nach oben. "Beim Aufschlag auf die reinen Arbeitskosten", gibt Adersberger unumwunden zu, "könnten wir wohl zehn Prozent einsparen." Stattdessen tritt er offensiv für sein Konzept ein. "Wir verpflichten uns mit dem Kunden auf ein gemeinsames Ziel. Bei dem Weg dorthin sind wir aber Querdenker. Das bedeutet oft auch, Dinge wegzulassen. Wir geben uns viel Mühe, unnötige Komplexität zu vermeiden."

Und das ist letzten Endes auch im Sinne des Kunden, denn, so Aderberger: "Möglichst komplexe Software ist prima für den Dienstleister, weil irgendwann nur noch er selbst das Ding managen kann. Weil es sonst niemand mehr versteht."

Warum geht er dann nicht den einfachen Weg, sondern versucht, seine Kunden von seiner Haltung zu überzeugen? "Weil es uns produktiver macht. Ein Viertel aller IT-Projekte scheitern, meist wegen zu hoher Komplexität. Damit halten wir uns aber gar nicht auf und werden schneller fertig - das hebt die hohen Stundensätze wieder auf."

Noch wichtiger sei jedoch die Wirkung auf die Mitarbeiter. "Programmierer in Indien fühlen sich selten wohl, die wechseln alle halbe Jahre ihre Stelle. Dann aber nehmen sie das Wissen mit, das eigentlich wir bräuchten. Outsourcing ergibt also keinen Sinn. Und für unsere eigenen Leute ist es wichtig, dass sie interessante Projekte machen. Möglichst viele Zeilen schrubben aber ist öde, da würden uns die Leute weglaufen. Wenn man alles macht, was die Kunden verlangen, akquiriert man vielleicht mehr neue Aufträge, aber am Ende zehrt es die Firma aus."

Diese Strategie ist mühsam, aber sie lohnt sich. Knapp 70 Prozent des Geschäftes machen Wartungs- und Fortentwicklungsaufträge bestehender Systeme aus, die Umsatzrendite des Unternehmens liegt bei 20 Prozent. Qaware wächst und rechnet für das Jahr 2010 mit einem Umsatz von drei Millionen Euro.

Was auch am Geschäft liegt, das man betreibt. "Bei Software kann der Kunde nicht mit dem Hammer draufschlagen und gucken, ob sie was taugt", sagt Adersberger. "Wir verkaufen also nicht nur eine Funktion, sondern auch Sicherheit, und wir haben Glück, dass die Zeit für uns arbeitet." Vor 20 Jahren hätte die Branche noch nicht genug schlechte Erfahrungen gesammelt, um Qualität zu goutieren. Mittlerweile sei der Leidensdruck deutlich gestiegen. "Die Leute wollen keine Quickies mehr."

Dies allerdings gilt nicht für den Software-Markt. Auch bei Dienstleistungen, bei denen es traditionell allein um den Preis geht, kann man mit Qualität punkten. Und wird dafür noch belohnt. Womit?

Immer neue Aufgaben

Jens Bormann und Karsten Wulf hätten es sich auch einfach machen können, als sie 1993 in Osnabrück die Buw Telefonmarketing GmbH gründeten (vgl. auch brand eins 01/2003). Sie hätten viele schlecht instruierte Studenten auf wenige Quadratmeter in ihrem Callcenter unterbringen und den Dingen ihren Lauf lassen können. So haben das die meisten gemacht.

"Das konnten wir schon damals nicht", sagt Bormann. "Die ganze Organisation ist seit jeher auf Qualität getrimmt. Wir vermitteln das Markenbild unserer Auftraggeber, also muss unsere Qualität der Marke entsprechen, die wir am Telefon vertreten. Dafür braucht man gute Leute. Und die muss man pflegen."

Mit dieser Haltung steht Buw in der Branche immer noch ziemlich allein da. Und ist trotzdem weit gekommen. Aus der Zwei-Mann-Bude ist ein Unternehmen mit 3500 Mitarbeitern in sechs Geschäftsbereichen geworden. Die Kundenliste liest sich wie ein Who's who der deutschen Wirtschaft. Mit einem Umsatz von 81 Millionen Euro ist Buw der größte inhabergeführte Costumer-Care-Dienstleister Deutschlands.

Die Firma beschäftigt nur fest angestellte Voll- oder Teilzeitkräfte. Hängten sich früher fast zur Hälfte Studenten ans Telefon, sind es heute weniger als ein Prozent. Mit im Schnitt neun Euro pro Stunde zahlt Buw im Branchenvergleich relativ gut. Bevor ein Mitarbeiter auf Kunden losgelassen wird, durchläuft er ein mehrwöchiges Training. Damit er auf seinem ersten Job nicht hängen bleibt, gibt es diverse Weiterbildungsprogramme. Wer sie erfolgreich absolviert, bekommt eine Gehaltserhöhung. Buw-Mitarbeiter bleiben im Schnitt drei bis fünf Jahre bei der Firma. Das ist so ungefähr das Gegenteil des oft üblichen Callcenter-Sparprogramms - und wirkt sich auf die Preise aus. "Unsere Produktionskosten sind bis zu 20 Prozent höher als anderswo", so Bormann, "entsprechend teurer sind wir natürlich."

Warum nur hat jemand einen solchen Erfolg auf einem Markt, der gern mit weniger zufrieden ist?

Weil es auch dort Leute gibt, die Qualität zu schätzen wissen. Menschen wie Klaus Beck etwa, der Leiter des Privatkundengeschäftes beim Buw-Kunden Cortal Consors. "Viele Dienstleister gehen über den Preis", sagt Beck. "Wir haben da lange mitgespielt. Aber wir haben gelernt, dass der Preis am Ende nicht entscheidend ist."

So wie diese Beziehung entwickeln sich viele bei Buw. Zuerst fingen die Telefonisten die Spitzen ab, wenn Kunden bei Cortal Consors anriefen. Weil das gut klappte, übernahm man auch den technischen Support. Mittlerweile akquirieren die Callcenter Agents auch neue Kunden und offerieren den bestehenden neue Bankprodukte. "Wir haben Buw immer neue Aufgaben übertragen", sagt Beck. "Gerade weil sie ihre Leute gut bezahlen, weil die Fluktuation gering ist, weil das Betriebsklima stimmt. Natürlich bezahlen wir all das mit, aber wenn man Kunden gewinnen und halten will, müssen die Leute im Callcenter ihren Job gern machen. Und das kostet eben etwas."

So kommt eins zum anderen. "Wenn man Qualität bietet", sagt Bormann, "hat man viele Fragen. Darauf findet man irgendwann Antworten. Daraus entwickelt sich neues Wissen. Und das kann man dann auf dem Markt anbieten."

Der ursprüngliche Callcenter-Dienst sei zwar immer noch der größte bei Buw. "Aber andere Bereiche wachsen stärker." So organisiert man mittlerweile auch den Vertrieb von Großunternehmen, managt Kredite und Forderungen, berät Firmen in Sachen Customer Care und der entsprechenden Technik, sucht und trainiert Personal. Und ein Ende ist nicht abzusehen. -

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